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Feinde kann man sich nicht aussuchen

Feinde kann man sich nicht aussuchen

Titel: Feinde kann man sich nicht aussuchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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spröde wirkte.
    Ich sagte sanft: »Wir reden morgen früh
drüber.« 5 Es war schon nach sieben, als ich ins Büro zurückkam: Mick hatte das
Warten aufgegeben und war heimgegangen. Ich stand in dem kleinen Raum über der
viktorianischen Eingangsdiele, der eines Tages meinem Assistenten gehören
würde, und ließ meinen Blick über die neuen Gerätschaften schweifen, die dort
fertig installiert standen. Die Lämpchen des Anrufbeantworters glommen; auf dem
Display des neuen Faxgeräts stand das Wort »Standby«. Nach einem kurzen Moment
ging ich zu dem Computer hinüber und fuhr mit den Fingern über die Tastatur.
Ich spürte eine Art schwachen elektrischen Schlag, obgleich alles ausgeschaltet
war. Und begriff: es lag daran, daß ich so aufgeladen war.
    Ich hatte mich jahrelang geweigert,
unter die Computer-Kundigen zu gehen, und das Abfragen von Daten meiner
bisherigen Assistentin, Rae Kelleher, überlassen. Ich hatte ihr erklärt, der
Umgang mit Maschinen liege mir nicht so, ich könne nicht mal richtig tippen,
aber der wahre Grund war meine Angst, im Büro eingesperrt zu sein, fernab der
Action und der Interaktion, die für mich das Leben ausmachen. Jetzt würde ich —
zumindest so lange, bis ich es schaffte, aus einer wenig verheißungsvollen
Bewerberschar einen vielversprechenden Assistenten herauszusieben — lernen
müssen, mit diesem Computer zurechtzukommen, damit Kohle hereinkam.
    Aber warum auch nicht? dachte ich. Ich
hatte früher immer verkündet, eine Mikro welle käme mir nicht ins Haus, und
jetzt bereitete ich ganze Tiefkühl-Menüs im Handumdrehen zu. Als mein
Erdbebenhäuschen renoviert worden war, hatte ich Leitungen legen gelernt und
mich zu einer ganz brauchbaren Klempnergehilfin entwickelt. Mir war ganz
schlecht geworden, als Hy vorgeschlagen hatte, er könne die Citabria ja auch
mal in Rückenlage fliegen; jetzt konnte ich meinen ersten Alleinflug kaum
erwarten, und ich löcherte ihn die ganze Zeit, mir die Kunstflugtricks
beizubringen. Verglichen mit dem Bordcomputer war dieser Apple doch wohl gar
nichts.
    Und das alles war nur die Folge jener
einen verrückten Woche im vorigen Juni, als ich eine Serie schwerer seelischer
Schocks durchgemacht hatte und in eine Extremsituation geraten war, in der ich
auf Fähigkeiten hätte zurückgreifen müssen, von denen ich gar nicht gewußt
hatte, daß ich sie besaß. Danach hatte es kein Zurück mehr gegeben. Ich hatte
mich vom Sprungturm gestürzt, in eine neue Zukunft, und jetzt trat ich Wasser,
so schnell ich konnte.
    Ich kehrte dem Apple den Rücken, ging
in mein Büro und bemerkte mit Wohlgefallen, daß sich meine neue Sitzgarnitur
genauso machte, wie ich es mir vorgestellt hatte, als ich sie im
Ausstellungsraum des Möbelhauses gesehen hatte. Meine Hy-Rose war auch
angelandet; sie stand in ihrer kleinen Kolbenvase auf der Schreibtischecke, und
Mick hatte sogar daran gedacht, das Wasser aufzufüllen.
    Die Rosen — ein einzelnes,
langstieliges Prachtexemplar jeden Dienstag per Lieferdienst — waren Hys Art,
die Nähe zwischen uns aufrechtzuerhalten, egal, wie lange wir uns nicht sahen
oder welche Entfernung zwischen uns lag. Anfangs waren sie gelb gewesen;
nachdem unsere Liebesbeziehung begonnen hatte, war daraus ein exotisches
Mandarinrot geworden; aber seit dieser qualvollen Zeit im letzten Juni, als ich
ihn beinahe verloren hätte, hatten sie wieder eine andere Farbe — ein samtenes
Schwärzlichrot. Wir hatten darüber geredet, warum er die anderen Farben gewählt
hatte: Gelb, weil ich für Rot nicht traditionell und für Rosa nicht romantisch
genug war; das exotische Mandarinrot, weil es unserer Leidenschaft entsprach.
Aber dieses seltsame tiefdunkle Rot? Keiner von uns hatte es je angesprochen.
    Ich ging hinüber und berührte die
zarten Blütenblätter, sog den üppigen Duft ein. Rot — die Farbe der Liebe, je
dunkler, desto besser. Rot — die Farbe vergossenen Bluts, die Farbe der Gewalt.
Was? Beides war in jener aufwühlenden Woche enthalten gewesen...
    Meine Finger schlossen sich fester um
den Stiel der Vase. Plötzlich wollte ich sie packen und gegen die Wand werfen.
Oder besser noch: mir die Rose schnappen, die Blütenblätter abreißen und sie
zertrampeln.
    Nach allem, was wir in jener Woche
durchgemacht hatten, nach allem, was wir beinahe verloren hätten, nach allem,
was daraus, wie ich meinte, zwischen uns erwachsen war, war Hy jetzt wieder
unerreichbar. Reiste, seit er mich Anfang Juli am Flughafen von Oakland
abgesetzt hatte,

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