Feinde kann man sich nicht aussuchen
wieder dem Schreibtisch
zu und begann, ausgewählte Passagen der Bänder noch einmal ablaufen zu lassen,
um die Fakten so zu sortieren, daß ich Suits eine hieb- und stichfeste Argumentation
präsentieren konnte.
Charles Loftus, milliardenschwerer
Investment-Kapitalist und Immobilienspekulant, der Suits schon bei zwei
Turnarounds finanzielle Rückendeckung geliefert hatte: »Ich kenne keine einzige
Immobiliengesellschaft, die scharf auf dieses Hunters-Point-Gelände wäre. Zu
viele Probleme. Zu viele Hürden. Da hat man es mit der Bundesregierung und mit
den kommunalen Organen zu tun. Und selbst wenn die ein Projekt absegnen, sind
da immer noch Behörden wie die Bay-Erhaltungs- und Entwicklungskommission. T.
J. ist der einzige, der bereit ist, sich mit ihnen allen herumzuschlagen und das Gelände wieder Schiffahrtszwecken zuzuführen. Ich finde, ehrlich gesagt,
sie müßten ihm einen Orden verleihen.«
Dana Wilson, Suits’ Verbindungsfrau bei
der Hafenkommission: »Niemand, absolut niemand, ist gegen Mr. Gordons Pläne für
das Mega-Terminal. Es paßt perfekt in das derzeitige Konzept einer gemischten
Nutzung des Hafengeländes. Stadt und Bund sind ihm dankbar dafür, daß er eine
Lösung für das Hunters-Point-Problem gefunden hat... Feinde? Da hat er sicher
eine ganze Menge, aber nicht in Zusammenhang mit diesem Projekt. Offen
gestanden, ich bin ziemlich neugierig, und wenn jemand die Sache verhindern
wollte, wüßte ich das.«
James Lewis, Hafenkommission Oakland:
»Ich will nicht drumherum reden, es steht nicht gut um unseren Hafen. Niemand
läßt die GGL gern ziehen. Aber wenn Gordon dieses Hunters-Point-Projekt
wirklich realisiert, dann bedeutet das einen wirtschaftlichen Aufschwung für
die ganze Bay Area. Wenn das neue Mega-Terminal Kunden aus anderen
Westküsten-Häfen hierher zieht, dann werden wir sicher auch unseren Teil davon
abschöpfen.«
Noah Romanchek, Suits’ Hausanwalt: »Ich
glaube nicht, daß das, was Suits zugestoßen ist, irgend etwas mit der GGL oder einem
der beiden Häfen zu tun hat... Wieso? Weil dieser Mensch zu viele Interna
kennt: Er weiß, was er einem Mann bieten muß, damit er von einer fast schon
perfekten Abmachung zurücktritt. Er weiß, welcher Investor wacklig genug
dasteht, um sich bestechen zu lassen. Ja, er kennt sogar T. J.s persönliche
Gewohnheiten: wo er spät abends noch ein Bier trinken geht, wie man in seine
Wohnung kommt. Nehmen Sie T. J.s Mitarbeiter unter die Lupe, und Sie werden
Ihren Mann finden.«
Russ Zola, Suits’ Organisationsstratege:
»Noah hat recht, aber ich würde noch einen Schritt weitergehen. Das, was hier
läuft, hat nichts mit diesem aktuellen Sanierungs-Projekt zu tun — und
vielleicht überhaupt nichts mit irgendwelchen geschäftlichen Dingen... Warum,
kann ich nicht sagen; so klar sehe ich da selbst noch nicht. Aber wer immer
hinter all diesen Dingen steckt, investiert eine Menge Energie. Wie Sie schon
sagen, es wirkt irgendwie wie eine persönliche Sache. Sehen Sie sich mal seine
Vergangenheit an, sein Privatleben, das ist die richtige Spur.«
Carole Lattimer, Suits’ Finanzexpertin:
»Was Noah und Russ sagen, geht für mein Gefühl in die richtige Richtung. Wird
allerdings ganz schön schwer für Sie werden, Suits irgend etwas aus der Nase zu
ziehen. Er wird seine geheiligte Privatsphäre bis ins Grab hüten, und wer sie
verletzt, muß teuer dafür bezahlen.«
Da war noch mehr, aber das waren die
verständlichsten und überzeugendsten Passagen. Ich schaltete den Recorder aus.
Lattimers »bis ins Grab« hatte mir einen Schauer über den Rücken gejagt. Ich
stand auf und ging nach unten, auf der Suche nach Gesellschaft.
Das Erdgeschoß war verlassen. Teds
Arbeitsplatz in der Eingangsdiele war aufgeräumt, das Licht heruntergedreht.
Das Empfangszimmer war dunkel, die Abendnachrichten flimmerten stumm über den
Fernsehschirm. Als ich nach hinten ging, vorbei an der juristischen Bibliothek
und Hanks und Raes dunklen Büros, fiel mir wieder ein, daß heute der
Softball-Abend des Kollektivs war. Sie spielten gegen eine andere Anwaltsfirma
drunten in San Mateo, wo vermutlich die Sonne schien.
In der Küche ging ich an den
Kühlschrank, goß mir ein Glas Wein aus der großen Flasche ein und trug meine
Initialen in die Liste ein, die an der Kühlschranktür klebte. Dann setzte ich
mich an den Tisch beim Fenster, um auf Suits zu warten und dem Knacken und
Ächzen des alten Hauses zu lauschen.
Softball-Abend, dachte ich, und niemand
hatte mich
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