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Feinde kann man sich nicht aussuchen

Feinde kann man sich nicht aussuchen

Titel: Feinde kann man sich nicht aussuchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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nach fünf in meinem
Büro an. Mick hatte sich an dem Schreibtisch in dem Raum über der Diele
niedergelassen — oder besser verschanzt. Er schien davon auszugehen, daß der
Wall aus Büchern und Broschüren es mir unmöglich machen würde, ihn jemals von
hier zu vertreiben. Das Faxgerät surrte und spuckte eine lange Papierschlange
aus.
    Mick sah von dem Stapel
auseinandergetrennter Blätter auf, den er gerade zurechtstauchte. »Hast du mit
meiner Mom geredet?«
    »Du kannst bleiben, solange ich dich
brauche.«
    »Jaaaaa!« Er riß triumphierend die
Faust in die Höhe.
    »Ist das« — ich zeigte auf die
Faxschlange — »von Dottie Collier aus F. A.?«
    »Ja. Das hier auch.« Er tätschelte den
Stapel auf dem Schreibtisch. »Sie hat uns schon fast zwei Rollen Papier
gekostet.«
    »Ist schon in Ordnung; das setzen wir
dem Klienten auf die Rechnung.« Ich nahm den Stapel, warf einen Blick auf das
oberste Blatt und nickte.
    »Da sind noch ein paar Sachen. Eine
Frau aus Pacifica hat angerufen und gesagt, ihr hättet heute morgen miteinander
gesprochen.« Er studierte Notizen auf einem Block und fuhr dann fort: »Sie hat
den Mann mit dem Fastwagen noch mal gesehen und ihn nach den Blessings gefragt.
Er hat ihr gesagt, daß er ihnen den ganzen Hausrat abgekauft hat. Sie sind zu
Geld gekommen und aus der Gegend weggezogen, aber der Typ weiß nicht, wohin.
Ergibt das irgendeinen Sinn?«
    »Mm-hmm.« Offenbar hatte jemand den
Concierge des Bay Vista bestochen, ihm Nachschlüssel zu dem Gebäude und zu
Suits’ Penthouse zu beschaffen; inzwischen waren Blessing und seine Familie
sicher unauffindbar. Es sei denn... Ich sah versonnen auf Micks gesenkten Kopf.
    Er fuhr fort: »Eine Claudia James von
DataBase hat ein paar Bewerbungsschreiben vorbeibringen lassen; sie möchte, daß
wir den Hintergrund der Leute überprüfen.« Er streckte mir einen braunen
Umschlag hin.
    Ich war so in Gedanken, daß ich
abwesend daraufstarrte. Dann nahm ich ihn und zog die Bewerbungen heraus.
Claudia James war die Inhaberin des Telefon-Auftragsdiensts gewesen, den ich früher
benutzt hatte. Als die Anrufbeantworter dieses Gewerbe überflüssig zu machen
drohten, hatte sie den Laden verkauft und sich auf Computer verlegt, und jetzt
hatte sie eine eigene Firma — wofür genau, mußte ich erst noch herauskriegen.
Die offizielle Eröffnungs-Ankündigung, die ich ihr letzte Woche geschickt
hatte, machte sich schon bezahlt. Ich sah die Bewerbungen durch: reine
Routinesache.
    »Na, dann laß uns mal anfangen.« Ich
drückte Mick die Papiere in die Hand.
    Er sah sie blinzelnd an. »Sind das...
meine?«
    »Ja.« Ich zog einen Stuhl an den
Schreibtisch heran. »Ich erkläre dir jetzt, was damit passieren muß, und morgen
ist das dann dein Job.«
    »Mein Job«, sagte er.
    »Genau. Und danach — wie wär’s mal mit
einer Personensuche?«
     
    »Sherry-O?«
    »Ja?« Die Schärfe war längst aus meiner
Stimme gewichen; Suits’ klagende Fragen, von der Tür meines Büros an mich
gerichtet, hatten meine Kräfte verschlissen. Sie reichten gerade noch, um meine
brennenden Augen auf die Seiten vor mir zu heften. »Meinst du wirklich, es ist
okay, wenn ich mein Handtuch irgendwo da drinnen hinhänge?« Das Handtuch, von
dem er sprach, war eins, das Ted ihm vorhin geliehen hatte, und »da drinnen«
war das All Souls-Gemeinschaftsbad im Obergeschoß. »Wohin du willst, Suits.«
Ich markierte einen Satz mit Leuchtstift und las stur weiter. Aber er stand
immer noch in der Tür; ich hörte ihn atmen. »Was noch?«
    »Ich muß mal telefonieren.«
    Ich wedelte in Richtung meines
Telefons.
    »Ungestört.«
    »Bei meinem Neffen drüben.« Ich wedelte
in Richtung seiner Tür.
    »Danke.« Es war sicher der demütigste
Ton, den Suits je zustandegekriegt hatte.
    Ich las weiter.
    Durch die Wand hörte ich seine Stimme.
Ich preßte mir die Hand aufs Ohr und stützte mich auf den Ellbogen. Es half,
aber nicht sehr. Suits redete. Ich las. Und plötzlich war er still. Ich
streckte mich, sah auf meine Uhr. Halb elf. Noch eine Seite, und ich hatte
diesen Stapel geschafft. Ich würde den anderen einpacken und mit heimnehmen, um
ihn vor dem Kamin durchzugehen.
    Suits’ Stimme war wieder zu hören,
diesmal durch die Wand zwischen meinem Büro und Teds Kabäuschen. Vermutlich
noch eine Rückfrage wegen der Handtuch-Aufhängeordnung, dachte ich. Teds Stimme
antwortete, aber nur knapp. Suits hob wieder an und hörte nicht mehr auf.
    Ich nahm den anderen Stapel an mich und
stopfte ihn

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