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Feinde kann man sich nicht aussuchen

Feinde kann man sich nicht aussuchen

Titel: Feinde kann man sich nicht aussuchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Regen
und Kälte — falls das, was wir da unterwegs hatten, einigermaßen exemplarisch
war.«
    »Suits —«
    » Komm schon.«
    » Wohin?«
    »Du fragst zuviel. Laß es einfach
kommen.«
     
     
     
     
     

9
    Als der JetRanger die Bay überflog und
den Luftraum über Marin County durchquerte, war es noch so hell, daß ich dicke
Nebelschwaden durch die Senken zwischen den Küstenbergen quellen sah. Josh ging
auf einen nordwestlichen Kurs über der Point Reyes National Seashore; vor uns
glommen die Lichter rings um Bodega Harbor schwach durch die Suppe.
    Irgendwo zwischen meinem Haus und dem
Landeplatz auf dem Dach des Bay Vista hatte ich den bewußten Entschluß gefaßt,
mich in das zu fügen, was Suits »die Dinge kommen lassen« nannte. Kein leichtes
Zugeständnis für eine Person wie mich, die immer die Kontrolle haben möchte,
aber jetzt fand ich meine selbst-auferlegte Passivität auf merkwürdige Weise
beruhigend. Vielleicht war es die hereinbrechende Dämmerung oder das
rhythmische Dröhnen des Motors oder das Flapp-Flapp der Drehflügel; vielleicht
war ich auch einfach nur müde. Warum auch immer, ich fühlte mich in einen
behaglichen Kokon eingesponnen. Und außerdem irritierte es Suits maßlos, daß
ich keine Fragen stellte.
    Als wir, parallel zur Küste über dem
Wasser fliegend, Fort Ross passierten, brach die Dunkelheit herein. Ich warf
noch einen letzten Blick landeinwärts, sah Sequoia-Wipfel aus der Nebeldecke
ragen und mußte an Mini-Christbäumchen in einer Wattelandschaft denken. Kurz
darauf war draußen nur noch Schwarz.
    Suits sah mich immer wieder an,
verdutzt über mein Schweigen. Zweifellos hatte er damit gerechnet, daß ich ihn
während des ganzen Flugs mit Fragen bombardieren würde — und er sich damit
amüsieren könnte, sie abzuschmettern. Schließlich lächelte ich ihn
heiter-gelassen an. Er runzelte die Stirn und guckte weg.
    Bald darauf sprenkelten Regentropfen
die Scheiben. Joshs Stimme kam durch den Kopfhörer: »Sieht aus, als kriegten
wir noch mehr von dem Mistwetter, das wir drunten im Süden schon hatten. Ich
gehe höher, vielleicht ist es oben ruhiger.«
    Suits antwortete nicht, überließ es dem
Experten.
    Weiter oben war es auch nicht ruhiger;
der Hubschrauber prallte mit einem Ruck auf eine Gegenströmung. »Sorry«, sagte
Josh. In der Ferne blitzte es.
    »Was soll dieses Wetter?« fragte
Suits. »Herrgott, wir haben August.«
    Ich war schon bei schlimmerem Wetter
geflogen, aber entweder mit Verkehrsmaschinen oder mit Hy, dessen Fähigkeiten
und Instinkten ich vertraute, weil ich sie kannte. Mein behaglicher Kokon
begann sich aufzuribbeln; meine Finger krallten sich um die Sitzkante. Ich sah
zu Suits hinüber, aber er schien in private Gedanken versunken.
    Wieder eine heftige Turbulenz. Josh zog
den Hubschrauber noch höher. Wind beutelte uns, trieb uns weiter übers Meer
hinaus; Regen peitschte gegen die Fenster.
    »Boss, ich denke, wir sollten besser an
der Bucht vorbeifliegen und den Kreisflughafen ansteuern. Der Landeplatz ist
bei Nässe riskant, und ich gehe bei diesem Wind nicht gern so dicht bei den
Klippen runter.«
    »Okay, frag die Bodenkontrolle in
Little River, ob sie diesen Taxifahrer in Elk anrufen können, daß er kommt und
uns holt.«
    »Wird gemacht.«
    Suits starrte mir ins Gesicht, wartete
auf eine Sturzflut von Fragen. Ich guckte schweigend zurück, genoß es, ihn zu
foltern. Was unser Ziel betraf, wußte ich ohnehin schon, was er mir sagen
würde: eine der vielen kleinen Buchten, die sich die Küste südlich von
Mendocino entlangzogen.
    Suits wandte sich wieder zum Fenster.
Während des nicht sonderlich entspannten Rests des Flugs brach er das Schweigen
nur ein einziges Mal. Er setzte sich plötzlich höher auf, spähte aus dem
Fenster und sagte: »Da ist es — wir sind genau über Bootleggers Cove.«
    Josh hielt jetzt landeinwärts; ich
mußte mich an Suits vorbeibeugen, um die Küstenlinie sehen zu können. Unter uns
lagen verstreute schwache Lichter; eins davon blinkte grün. »Hübsch«, sagte ich
und lehnte mich wieder in meinen Sitz zurück.
    Suits guckte irritiert und wartete. Ich
lächelte.
    »Das macht dir wohl auch noch Spaß?«
fragte er ungehalten. »Was?«
    Er knurrte indigniert und begann, mit
den Fingern auf seinem Knie herumzutrommeln.
    Ein paar Minuten später setzten wir auf
dem Kreisflughafen von Little River auf. Der Wind peitschte scharfe Regensalven
vor sich her, Josh mußte mich festhalten, als ich ausstieg. Dann packte

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