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Feinde kann man sich nicht aussuchen

Feinde kann man sich nicht aussuchen

Titel: Feinde kann man sich nicht aussuchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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mich
Suits am Arm — mehr als Ballast, denn in ritterlicher Absicht —, und wir
rannten zu dem winzigen Flughafengebäude. Unter dem vorstehenden Dach schüttelten
wir uns wie Hunde, stampften mit den kalten Füßen auf, schlugen die eisigen
Hände gegeneinander. Josh kam einen Augenblick später mit dem Gepäck angelaufen.
Die Haare klebten ihm am Kopf.
    Suits fragte: »Du kommst doch noch mit
zur Bucht? Du warst ewig nicht —«
    »Geht nicht. Der Motor macht ein
Geräusch, das mir gar nicht gefällt. Ich werde bei meinem Kumpel in Albion
unterkriechen und gleich morgen früh herkommen und mich dranmachen.«
    »Wie du meinst«, sagte Suits
achselzuckend. »Wir setzen dich ab, falls dieses Taxi — da kommt es ja.«
    Eine braune Limousine mit einem
Leuchtschild auf dem Dach, auf dem aus unerfindlichen Gründen »Yellow Cab
Company« stand, hielt auf dem Flughafenparkplatz. Suits winkte mir, und wir
rannten hin, Josh mit den Taschen hinterher. Das Taxi stank nach kaltem
Zigarrenrauch, aber der Fahrer, ein älterer Mann in einem Army-Regenparka,
hatte die Heizung voll aufgedreht, was mich mit jedem Geruch versöhnt hätte.
Suits und Josh begrüßten ihn wie einen alten Bekannten, und wir fuhren in südlicher
Richtung los. An einem Abzweig vom Küstenhighway, unterhalb des Dörfchens
Albion, ließen wir Josh aussteigen. Als wir weiterfuhren, begann Suits
unmelodisch vor sich hinzusummen, die Finger der rechten Hand fest in den
Oberschenkel gekrallt.
    Nervös, dachte ich. Muß mit der Person
zu tun haben, mit der er mich bekannt machen will.
    Aber ich stellte keine Fragen. Ließ es
einfach kommen.
     
    Als das Taxi etwa zehn Minuten später
vom Highway abbog, schwenkten die Frontscheinwerfer über einen hohen Staketenzaun.
Suits stieg aus, rannte durch den Regen zu einem neben dem Tor montierten
Holzkasten, betätigte einen Mechanismus mit einem Schlüssel, und das Tor
schwang auf. Der Fahrer zog ein Stück nach vorn, und Suits stieg wieder ein.
Sie kannten die Prozedur, dachte ich.
    Das Gelände hinter dem Zaun war dicht
mit Zypressen bestanden; eine asphaltierte Zufahrt führte zwischen den Bäumen
hindurch und dann eine steile Anhöhe hinauf. Als wir oben ankamen, sah ich
felsiges Terrain, das zu den Klippen hin abfiel, und ganz vorn an der Felskante
die Lichter, die ich schon aus der Luft gesichtet hatte. Wind schüttelte das
Taxi, als es das ungeschützte Stück durchquerte; Suits beugte sich neben mir
nach vorn und starrte auf ein Haus, dessen Konturen jetzt aus dem strömenden Regen
auftauchten.
    Ich beugte mich ebenfalls vor und
erkannte zwei langgezogene, flache Querflügel aus Feldstein und Holz, verbunden
durch eine Art gläsernen Wandelgang, der mit seinem spitzen Dach an ein
Gewächshaus erinnerte. Die Lichter in beiden Flügeln waren durch zugezogene
Vorhänge gedämpft, und der Rauch aus dem einzigen Kamin wurde vom Seewind
landwärts gerissen. Als das Taxi vor dem gläsernen Mittelteil hielt, gingen
drinnen Spotlights an; sie beleuchteten einen Dschungel aus Palmen, Yuccas und Rankgewächsen
und erzeugten ein Gewirr von Schatten, durch das sich eine schemenhafte Gestalt
bewegte.
    Suit’s Spannung löste sich in einem
Seufzer. »Es heißt Moonshine House«, erklärte er mir, »nach dem Schnaps, den
sie früher hier in der Bucht abgeladen haben.« Seine Stimme war jetzt hell,
fast knabenhaft.
    Ich drehte mich zu ihm, aber er war
schon dabei, die Taxitür zu öffnen und auszusteigen. Während ich noch
Handtasche und Aktenmappe zusammensuchte und mir die Kapuze meines Parkas über
den Kopf zog, hatte er schon die Bezahlerei abgewickelt und die eine
Reisetasche mit seiner heilen Hand hinausgewuchtet. Ich stieg aus und packte
die andere, und wir rannten zum Haus. Die Tür schwang auf, und ich schlidderte
hindurch und wäre fast samt meiner Tasche auf dem glatten Fliesenboden
gelandet. Eine schmale, kräftige Hand fing mich auf. Ich sah in das Gesicht der
Frau, die uns empfing.
    Suits sagte: »Sherry-O, das ist meine
Frau Anna.«
    Sie hätte meine Schwester sein können,
so ähnlich sahen wir uns.
     
    Zuerst konnte ich nur zwischen Suits
und Anna hin und herstarren. Dann ließ Suits eine seiner erschreckenden
Fachsalven los, und der Bann war gebrochen.
    Anna Gordon — größer und schlanker als
ich, mit taillenlangem schwarzem Haar, so wie meins, bevor ich es hatte
abschneiden lassen — sah ihren Mann streng an. Zu mir sagte sie: »Ich nehme an,
er hat Ihnen nichts von unserer Ähnlichkeit

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