Feinde kann man sich nicht aussuchen
daran erinnert. Ich hatte nie fest zum Team gehört — dafür war mein
Zeitplan zu erratisch —, aber wenn möglich, war ich mitgefahren und hatte meine
alten Cheerleader-Künste wieder aufpoliert. Heute jedoch hatte mir keiner einen
Zettel auf den Schreibtisch gelegt, und ich besaß natürlich auch kein Postfach
an Teds Arbeitsplatz mehr, wo mir jemand eine Notiz hätte hinterlassen können.
Konnte es sein, daß die anderen sauer
auf mich waren, weil ich das abgelehnt hatte, was sie für eine hübsche
Beförderung hielten? Verstanden sie meinen Wunsch, mein eigener Boß zu sein,
als persönliche Zurückweisung? Wenn ja, hatten die Partner ihre Gefühle gut
getarnt, als ich bei ihrer Besprechung Mitte Juli aufgetaucht war, um ihnen
meine Entscheidung mitzuteilen; sie hatten aufrichtig erfreut gewirkt, als ich
gefragt hatte, ob ich Geschäftsräume von der Kooperative mieten könnte. Aber
wenn ich es recht bedachte, war das heute nicht das erstemal, daß sie mich aus
ihren Aktivitäten ausschlossen; niemand hatte mir von der Pokerrunde letzten
Donnerstag erzählt; niemand hatte mich eingeladen, mich an der Pizza zu
beteiligen, die ein paar von ihnen bestellt hatten, als sie letzten Freitag
Überstunden gemacht hatten; mein Büro schien kein Anlaufpunkt mehr zu sein,
wenn jemand Leute für einen kleinen Trip ins Remedy zusammentrommelte.
Vielleicht hatte ich mir ja all die
Jahre etwas vorgemacht und Beziehungen, die im Grund beruflicher Natur waren,
für Freundschaften gehalten. Vielleicht würden diese Beziehungen jetzt, da ich
nicht mehr für das Kollektiv arbeitete, einfach einschlafen. Sicher, alte
Freunde wie Hank, Ted und Rae würden immer noch vorbeischauen, aber was war mit
den anderen — Jack, Pam, Larry, Gloria, Mike? Ich bereute es nicht, daß ich
mich entschieden hatte, den Alleinflug zu wagen, aber es machte mich traurig,
daß ich vielleicht einen so hohen Preis dafür zahlen mußte.
Suits kam um zwanzig vor sieben; daß er
es war, hörte ich an seinem eigentümlichen Schritt. »Hier hinten in der Küche«,
rief ich.
Ein paar Sekunden später erschien er in
der Tür, das malträtierte Gesicht müde und abgespannt, der Anzug zerknittert,
die Schultern krumm.
»Alles okay?« fragte ich.
»War ein langer Tag.« Er kam an den
Tisch und ließ sich auf den Stuhl neben meinem fallen.
»Was zu trinken?«
»Ich könnte ein Bier vertragen.«
Ich ging an den Kühlschrank, nahm eins
heraus und trug mich wieder in die Liste ein. Als ich ihm die Flasche reichte,
sagte ich: »Und wie war’s in Long Beach?«
»Ein totaler Reinfall. Mein Ersatzmann
hat mich abblitzen lassen.« Er trank von seinem Bier und stellte die Flasche
auf den Tisch. »Glaub mir, ich weiß, was er dort unten verdient. Nicht
annähernd das, was ich ihm biete. Jemand muß ihn gekauft haben.« Er lehnte sich
zurück und massierte sich die Schläfen mit Daumen und Zeigefinger.
»Suits, ich habe heute mit einer Reihe
von Leuten geredet. Es besteht da eine gewisse Einigkeit, was diese ganze Sache
angeht.« Ich unterbreitete ihm die Theorien, zitierte aus den Bandaufnahmen.
»Ich muß mich mit dir zusammensetzen und die Informationen über deine
Turnarounds und deine Mitarbeiter durchgehen, die mir Dottie Collier gefaxt
hat. Und ich muß mit dir über dein Privatleben reden.«
Er schüttelte den Kopf.
»Suits, ist es das nicht wert, wenn wir
dadurch dieser Person das Handwerk legen können?«
Er stand auf und trat um den Tisch
herum ans Fenster. Kehrte mir den Rücken zu und sah hinaus auf die
nebelverhangene Stadtlandschaft. Wie oft in diesen Jahren, die ich hier
gearbeitet hatte, hatte ich dasselbe getan? An diesem Fenster hatte ich
gegrübelt, analysiert, geplant und gelitten.
Schließlich sagte er: »Nicht, daß ich
was zu verbergen hätte.«
»Ich weiß.«
»Aber ich war noch nie in der Lage,
über private Dinge zu reden, außer mit...«
Ich wartete.
Er drehte sich um und sah mich an.
Seine intensiven Augen tasteten mein Gesicht ab. Dann trat er auf mich zu und
berührte meine Wange. Seine Finger waren leblos-trocken; es fühlte sich an, als
streiften verdorrte Herbstblätter mein Gesicht. Er zog die Hand zurück und sah
sie an, als hätte er dasselbe empfunden — wider Erwarten. Dann nickte er
entschieden.
»Gehen wir«, sagte er.
»Wohin?«
»Ich möchte, daß du jemanden
kennenlernst.«
»Wen?«
»Wir fahren erst noch bei dir vorbei.
Pack ein paar Sachen zusammen — Freizeitklamotten. Aber rechne besser mit
Weitere Kostenlose Bücher