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Feinde kann man sich nicht aussuchen

Feinde kann man sich nicht aussuchen

Titel: Feinde kann man sich nicht aussuchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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in meine Aktenmappe. Zog meine Jacke an und schlich auf den Flur
hinaus. Teds Tür stand offen; als ich mein Licht ausknipste, hörte ich ihn
sagen: »Und was fühlen Sie dabei?«
    Keine Antwort von Suits.
    Ted schwieg abwartend.
    Du liebe Güte, dachte ich, er erprobt
seine Therapiekünste an ihm!
    Ted, der schwul war und viele Freunde
und zwei Ex-Lover durch Aids verloren hatte, war schon längere Zeit ziemlich
depressiv gewesen. Im Juli hatte ich ihn zu einem Therapeuten geschickt, den
ich kannte, und dieser hatte ihn wiederum an einen Trauerbegleiter verwiesen.
Zwar hatte sich Teds seelische Verfassung noch nicht spektakulär verändert,
aber er litt immerhin seltener unter dem, was er seine schwarzgrauen Tage
nannte, und gelegentlich meinte ich wieder einen Schimmer des
fröhlich-versponnenen Ted von einst zu erhaschen. Ein etwas nerviger
Nebeneffekt seiner Therapiesitzungen war allerdings sein Hang, den
Amateurspsychologen herauszuhängen, sobald jemand auch nur gestand, an einem
Niednagel zu leiden.
    »Ich denke—« setzte Suits an.
    »Nein, was fühlen Sie?«
    Ich stand mucksmäuschenstill vor der
Tür, in der Hoffnung, Suits könnte sich Ted anvertrauen und ihm etwas erzählen,
was mir Einblick in den Teil seiner Person geben würde, den er so sorgsam
versteckte.
    Suits sagte: »Ich fühle mich bettreif.«
    Ehe er in den Flur hinaustrat, huschte
ich rasch an der Tür vorbei und die Treppe hinunter.
     
     
     
     
     

8
    Kalte Finger, dumpfer Kopfschmerz,
verspannte Muskeln. Und Kaffeeduft. Ich öffnete die Augen just in dem Moment,
als eine Hand einen Becher unmittelbar vor ihnen auf den Tisch stellte. Micks
Hand. Er sagte: »Aufwachen — ist schon nach acht.«
    Ich versuchte mich aufzusetzen, ruderte
mit den Armen und sah einen Stapel Blätter von der Couch auf den Teppich
gleiten wie ein Slinky-Toy. Ich war hier im Wohnzimmer eingeschlafen. Mick
mußte die Quiltdecke über mich gebreitet haben, die meine Schwester Patsy in
ihrer kunsthandwerklichen Phase fabriziert hatte.
    Mick machte sich daran, die Seiten
wieder einzusammeln; das glatte Fax-Papier fügte sich willig zum Stoß. Ich
wurstelte mich unter der Quiltdecke hervor, schwang die Füße auf den Boden und
griff nach dem Kaffeebecher. Nach dem ersten Schluck fragte ich: »Wann bin ich
eingeschlafen?«
    »Keine Ahnung. Du warst noch am Lesen,
als ich so um zwölf ins Bett gegangen bin. Um fünf war ich pinkeln, und da
warst du total weg, also hab ich dich zugedeckt.«
    »Danke. Auch für den Kaffee.« Ich
wärmte meine Finger an dem Becher und sah zum Fenster. Das Licht, das in den
Durchgang zwischen meinem Haus und dem der Curleys nebenan sickerte, war grau
und verhieß einen weiteren Nebeltag. Ralph hockte wieder auf der Sessellehne
und fixierte W. C. Fields mit hungrigen Augen. »Schlag dir das aus dem Kopf«,
erklärte ich ihm.
    Der Kater sah mich aus schmalen
Augenschlitzen an. Wenn er das tat, wußte ich nie genau, ob es ein böses
Funkeln war oder einfach nur Kurzsichtigkeit. Für den Fall, daß ersteres
zutraf, setzte ich hinzu: »Und guck mich nicht so an.« Ralph sprang auf den
Boden, streckte sich lässig, schlenderte in Richtung Küche, und peitschte im
Vorbeigehen mit dem Schwanz gegen mein Bein.
    Mick zog seine Daunenjacke über. »Schon
zur Arbeit?« fragte ich.
    Er nickte. »Ich will mit diesen
DataBase-Bewerbungen und der Blessing-Sache in die Gänge kommen.«
    »Okay, wenn du irgendwelche Fragen hast
und mich nicht erreichen kannst, wende dich an Rae.«
    »Jawohl, Ma’am.« Er salutierte und
eilte federnden Schritts den Flur entlang.
    Ach, noch einmal siebzehn sein und so
voller Enthusiasmus für ein paar kleine Aufgaben...
     
    Als ich aus der Dusche kam, fand ich
eine Botschaft von Suits auf dem Anrufbeantworter: »Bin heute in Long Beach.
Muß mit meinem Ersatzkandidaten für die Leitung des Terminals reden. Sherry-O,
es ist toll hier bei All Souls. Erinnert mich an alte Zeiten.«
    Na, wunderbar, dachte ich sarkastisch,
während ich das Band zurückspulte. Er wird sich dort häuslich niederlassen und
mir so lange auf die Nerven gehen, wie sich diese Ermittlungen hinziehen.
    Ich ging in die Küche, goß mir noch
einen Kaffee ein und bemerkte einen Stapel Post auf dem Tisch. Von gestern:
Telefonrechnung, Ausverkaufsprospekt von Macy’s, Erinnerung vom Tierarzt, daß
die Katzen-Impfungen überfällig waren. Und eine Postkarte von Hy.
    Nur ein paar Worte in seiner kräftigen
Handschrift: »An deinem Geburtstag Essen und Tanzen

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