Feinde kann man sich nicht aussuchen
Sobald wir in der freien Landschaft waren, ließ ich mich ein
Stück zurückfallen. Der Transporter überwand die Hügelkuppe, und die
Hecklichter verschwanden. Drüben führte die Straße durch felsiges,
beifußbewachsenes Gelände bergab. Der Transporter war schon ein gutes Stück
weiter unten, wo hinter dichtem Buschwerk Licht schimmerte. Der Wagen hielt vor
dem Gebüsch, die Scheinwerfer erloschen, Brenda Walker stieg aus und verschwand
im Dunkeln.
Ich ließ den Landrover im Leerlauf
abwärts rollen, bis ich an eine Stelle kam, wo ich hinter ein paar Fettholzsträucher
hinüberziehen konnte. Ich stieg aus und ging im Schein des Vollmonds zu Fuß
weiter. Als ich Brenda Walkers Transporter erreicht hatte, pirschte ich mich um
das Gebüsch — noch mehr Fettholz, spillerig und hoch, mit Beifuß und Yuccas
durchsetzt —, bis ich an eine niedrigere Ausbuchtung kam. Ich kroch geduckt in
das Gestrüpp und lugte über den Rand.
Drunten lag eine breites
ausgetrocknetes Flußbett, mit Steinbrocken übersät. Dort, wo es in einem
Felscanon verschwand, glitzerten die Lichter, die ich von oben wahrgenommen
hatte, in den unterschiedlichsten Formen, Farben und Brechungswinkeln.
Kristall, Bernstein, Grün und Braun bildeten ein wirres Kaleidoskop. Dazwischen
bewegten sich chaotisch fragmentierte Schatten: ein längerer auf der rechten
Seite, ein kleinerer weiter links. Die Schatten schienen zu zerfallen, zu
verschwinden und sich dann wieder neu zu formieren.
Ich kniff die Augen zusammen, öffnete
sie wieder. Vermochte das verrückte Bild, das sich dort in der Senke vor mir
bot, einfach nicht einzuordnen. Ich ließ meinen Blick zur Peripherie des irren
Geglitzers wandern und konzentrierte mich auf die Umrisse. Nach einem Weilchen
zeichnete sich die Form eines Hauses vor dem umgebenden Dunkel ab. Doch als ich
den Blick zur Mitte zurückrichtete, entglitt mir die Form wieder, und ich wurde
erneut in den Strudel aus gebrochenem Licht und fragmentierten Schatten
hineingesogen.
Ich schlüpfte aus dem Gebüsch und
schlich mich den felsigen Abhang hinunter. Jetzt konnte ich einen Dachfirst
erkennen; Hauskanten zeichneten sich ab. Am Fuß des Hangs kam ich an ein
Steinmäuerchen. Ich linste darüber und stütze mich dabei mit einer Hand ab.
Meine Finger berührten etwas Glattes zwischen den Steinen. Ich sah hin und
erkannte ein kreisförmiges Stück Glas, der Boden einer Flasche. Um mich
tastend, ortete ich Dutzende weiterer Flaschenböden, von Steinen und Mörtel
zusammengehalten.
Ich sah wieder auf das Haus; aus dieser
Entfernung erschienen die bunten Lichter rund — manche groß, andere ziemlich
klein. Die Hauswände waren offenbar ebenfalls aus Flaschen und Mörtel gemauert,
die Flaschenböden zur Außenseite gekehrt wie Linsen. Sie fingen das Licht von
drinnen ein, brachen es, verzerrten, was immer sich dahinter bewegte.
Was für ein Irrer errichtete so ein
Bauwerk, hier auf dem Grund eines ausgetrockneten Flusses mitten in der
Wüsteneinsamkeit? Die Schatten drinnen begannen sich jetzt wieder zu bewegen.
Gleich darauf hörte ich eine Tür aufgehen und Stimmen murmeln - eine Frauen-
und eine Männerstimme, die Worte unverständlich. Eine kleine Gestalt, von der
ich annahm, daß es Brenda Walker war, erschien links vom Haus und eilte den
Hang hinauf zu dem Transporter. Als der Motor ansprang, sah ich den größeren
Schatten hinter den Flaschenreihen vorbeiwandern.
Der Transporter mühte sich den Hügel
hinauf, und das Motorengeräusch verlor sich allmählich. Die Nacht war jetzt
völlig still. Nichts bewegte sich mehr in dem Flaschenhaus, und bald darauf
erloschen die Prismenlichter. Ich blieb noch ein Weilchen, wo ich war, und
kroch dann zu dem Landrover hinauf.
Das Lokal namens Joker befand sich in
einer kurzen Geschäftszeile parallel zur Hauptstraße — ein Straßenstück, das
einigen Aufschluß darüber gab, wie die Normalbürger von Lost Hope lebten. Die
Bar lag zwischen einer kleinen Offset-Druckerei und einem Autozubehör-Laden,
gegenüber einer winzigen Filiale der Kreisbücherei. Von außen wenig einnehmend,
entpuppte sie sich drinnen schon als netter: eine Reihe hölzerner Sitznischen
und ein paar Tische, links ein Tresen und im Hintergrund ein Pool-Billard. An
dem Billardtisch wurde gespielt, und ein paar Sitznischen waren besetzt; die
Juke-Box spielte eine traurige Weise von Verrat und Niedertracht, wie in jeder
derartigen Kneipe, die ich je betreten hatte.
Deputy Westerkamp hing auf einem Hocker
in der
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