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Feindesland

Feindesland

Titel: Feindesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
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dem Riesenberg Fritten mit Ketchup, Majo und Zwiebeln herum. Auf der kniehohen Fensterbank steht ein Topf mit einer halbtoten Yukkapalme. Um sie herum liegen alte Ausgaben der Magazine AutoMotorSport und Maxim.
    Hartmut muss so laut aufstoßen, dass es ihn schüttelt. Es brodelt und knallt, als schwimme ein schwerer Kutter in seinem Magen herum, der in unregelmäßigen Abständen den Motor aufheulen lässt. Burrrp! »Meine Güte« — Buuuuuuurrppp! »Boah, 'tschuldigung!« - BRRRRRRRRUAAAAAAAAAAARPPPPP! »Himmel, hilf!« Der Mann hinter der Theke sieht zu uns herüber. Hartmut zeigt mit der Gabel auf die Fritten und sagt: »In Bochum sind die besser!«
    »Die Erde ist ja auch rund«, sage ich.
    Wir mampfen trotzdem.
    Ich sage: »Das war gut eben, >Gratisrespekt<.«
    »Ja. Ist mir aber schwergefallen«, sagt Hartmut. »Seit ich weiß, dass ich Papa werde, spüre ich alles viel extremer. Wut, Freude, Traurigkeit. Alles.«
    Hartmut denkt nicht, er fühlt. Das ist ja interessant.
    Er zeigt mit der Gabel aus dem Fenster, zwei Fritten mit Ketchup darauf, der durch die abrupte Bewegung gegen die verschmierte Scheibe fliegt und dort kleben bleibt wie ein Blutspritzer.
    »Diese Stadt ist gefährlich. In Neukölln gibt's die Köllnische Heide Boys. Oder Spinne 44, eine bekannte arabische Großfamilie, eine Gang schon in der zweiten Generation. Spinne 44 Juniors. AGB, die Arabian Gangster Boys. Oder Lippe 44, von der Lipschitzallee. Die treffen sich tagsüber ganz normal in Jugendzentren bei Sozialpädagoge Otto, der die frischen Schlag-Erlaubnisse austeilt. Wo kannst du dich hier noch bewegen, ohne Angst zu haben? Die Ostflanke ist dicht von den Scheißnazis. Und in Mitte sitzen die Verbrecher aus dem Bundestag, die uns mit Gesetzen das Genick brechen.«
    Ich schmunzele: »Willst du jetzt den geifernden Spießertaxifahrer darstellen, oder was?«
    »Ach, ist doch wahr!«
    Eine Frau betritt die Bude, stellt sich an die Theke und bestellt eine kleine Pommes, eine Pizza mit Mais und einen Salat. Ich höre nur ihre Stimme, kaue weiter meine Fritten und bemerke, als ich wieder von meinem Teller aufblicke, dass Hartmut ihr auf den Arsch starrt und dabei ein kleiner, dünner Speichelfaden aus seinem Mund läuft.
    Ich sehe mich um. Die Frau ist keines dieser ausgehungerten Strichweibchen, trägt eine perfekt sitzende Jeans und füllt sie mit einem runden, prallen, formschönen Hintern. Ich sehe wieder Hartmut an. Er starrt weiter. Ich stupse ihn an. »Hey, man starrt einer Frau nicht so auf den Arsch«, flüstere ich.
    Hartmuts Augen bleiben an derselben Stelle wie vorher, werden aber mit Selbsterkenntnis geflutet. Er hat gar nicht gemerkt, dass er gestarrt hat.
    »Ach du Scheiße!«, sagt er und hält sich die Hand vor den Mund wie ein adeliges Mädchen im 19. Jahrhundert.
    »Du wirst als Papa also impulsiver, kriegslüsterner und geiler. Man könnte fast sagen, du wirst ein ganzer Kerl.«
    »Sag nicht so was Schlimmes!«
    Er wird kleiner, als wolle er unter dem Tisch versinken. »Mein Gott, ich habe tatsächlich gegafft!« Er sieht mich an. »Ich hab das wirklich nicht gemerkt. Das ist einfach so passiert.«
    »Das passiert dir öfter«, sage ich.
    »Was?«
    »Ja sicher, so was machst du häufig. Ich nicht. Ich schaue ja auch absichtlich keine Pornos.«
    »Das kann nicht sein, so bin ich nicht!«, sagt Hartmut.
    »Doch.«
    »Wann denn?«
    »Ja ständig, so zwischendurch. Ich habe es bislang nur nie erwähnt, weil ich dachte, es könnte die Leute schockieren.« »Aber ich werde doch Vater!« »Ja, eben drum. Ohne Trieb keine Schöpfung.« »Ich bin verloren!«, sagt Hartmut.
    »Die Szene ist im Kasten!«, sagt der Regisseur, der seinen sportlichen Körper in die Frittenbude steckt. Dabei fällt sein Blick kurz auf die Frau an der Theke. Er zieht die Augenbrauen hoch und macht einen kurzen Kopfnicker in ihre Richtung, als wolle er sagen: >Na, ist der Po geil oder nicht?<
    Hartmut stützt schwer seinen Kopf über den frittierten Stäbchen.
    Das Wehensingen und die Schlacht von Pankow
     
    »So, fertig!«, sagt Samir an einem warmen Tag Mitte Juni. Er lässt mit der Sprühpistole von unserem neuen Taximodell ab und sieht in die Runde. Cevat, er und vier weitere Angestellte haben ihr Werk vollendet. Samir hat sich völlig verändert. Er lernt Tag für Tag von Cevat, er hat seit Monaten kein Schimpfwort mehr benutzt, und wenn man ihm anbietet, nach Feierabend noch eine Runde Super Monkey Ball mitzuspielen und sei es auch mit einem Joint,

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