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Feindesland

Feindesland

Titel: Feindesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
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Designer und Mittelsmänner den Raum und hebt scherzend die Hände zur pathetischen Musik.
    »Geschafft, geschafft, geschafft!«, brüllt Mattes, die Augen verdreht, und Milo sagt immer nur: »Ratzfatz! Peng! Schwuppdiwupp!«
    »Und das so früh, so schnell! Der erste Schritt ist gemacht!«
    Ich steige von meinem Tritthocker, gehe Hartmut und Caterina in diesem freudigen Umzug entgegen und frage, was es denn zu feiern gebe.
    »Wir haben einen Namen für das Produkt, eine komplette Kampagnenidee. Wir haben das ganze Gerüst.« Caterina strahlt.
    Hartmut hüpft umher wie das Umweltmädchen neulich im Stau. Dass er immer so begeisterungsfähig sein muss! Caterina zieht mich gegen den Strom der Jubelnden in den Meetingraum und zeigt auf die ausgedruckten Entwürfe, die dort an den Wänden kleben. Die Gläser des zukünftigen Breis für Erwachsene. Ihre Etiketten tragen alle das gleiche schwarze Logo auf verschiedenen Grundfarben: einen lächelnden Teufelskopf mit Stachelhalsband. Über ihm steht, in einer dezent mit Flammen verzierten Schrifttype: DAS BÖSE BREICHEN.
    »Das ist...«, beginne ich, und Mattes, der bereits wieder in der Tür steht, sagt für mich: »... großartig! Präzise. Genau rein in die Kernzielgruppe. Mal ganz ehrlich, ihr könnt froh sein, dass wir bei dieser Kampagne so viel Zeitdruck haben. Üblicherweise müssen wir als Chefs nämlich den ersten Entwurf immer ablehnen, damit ihr nicht denkt, wir wären zu schnell begeistert.« Er lacht, wie man lacht, wenn etwas tatsächlich stimmt. »Ach, herrlich. Ich bin froh, dass ich euch hierhabe. Aber lasst uns uns nicht zu früh freuen, schließlich fehlt uns noch der Claim. Und Claimentwicklung hat ihre eigenen Gesetze. Wir hatten hier vor vier Jahren eine Kampagne, da haben unsere Texter 2500 Entwürfe gemacht. In einem Jahr. 2500 Claims.« Er sieht uns alle noch einmal genau zwei Sekunden lang an, um diese unerhörte Tatsache nachwirken zu lassen. Dann klopft er vor den Türrahmen, stößt sich ab und eilt wieder in den Pulk der sich Feiernden zurück. Caterina folgt ihm.
    »Ich schreibe 2501 Claims«, sagt Hartmut, und ich suche nach Subversion in seinen Augen. Doch im Moment ist er einfach nur im Thema. Völlig dabei. Was auch daran liegen mag, dass er kaum zu Hause ist. Zu Hause sind im Prinzip nur noch Susanne und ich, wenn wir nicht gerade Übungsfahrten machen, damit wenigstens sie einen anständig bezahlten Job bekommt. Von Caterinas 1250 Euro decken wir die laufenden Kosten für vier Personen. Ich durfte bisher eine Rechnung von 182,50 Euro über »Reparaturarbeiten« sowie eine über 275,35 Euro für »Serviceleistungen im Bereich EDV« stellen. Die Montage des GNS darf ich laut Gerd auch allein auf mich buchen, »Einbau eines Gerätes in Dienstfahrzeug«, eine knappe Stunde, 40 Euro. Darunter die Notiz: »Ich optiere nicht zur Mehrwertsteuer.« Bei einem Amt habe ich mich wegen meiner Selbständigkeit noch nicht gemeldet. Solange die Einnahmen unter 8000 Euro im Jahr bleiben, interessiere das den Staat ohnehin alles nicht, hat mir Dimitri aus der Buchhaltung erklärt, doch mittlerweile bezweifle ich doch sehr, dass den Staat irgendetwas nicht mehr interessiert. Hartmut hat für seine Teilnahme am Projekt »Das böse Breichen« eine »große Projektgesamtrechnung« über Tätigkeiten als Texter und Berater stellen dürfen, 3500 Euro auf einen Schlag. Wie viele Wochen oder Monate er dafür noch 24 Stunden am Tag arbeiten muss, wurde nicht thematisiert. Überwiesen ist auch noch nichts.
    »Yannick hat gestern einen Paravent zerfetzt«, sage ich, »genau die Stelle an dem Kopfteil deines Bettes, Hartmut. Er will, dass du mal wieder nach Hause kommst.«
    »Wenn ich 2501 Claims verfasst habe.«
    »Hartmut! Sei nicht so beschissen begeistert!« Ich schüttele ihn. »Was ist denn los mit dir?«
    Er öffnet ein wenig den Mund. Es knackt in seinem Kieferknochen, laut und vernehmlich. Er besucht wohl nicht einmal den Wellnessbereich der Agentur, so verspannt ist er. Er geht in die Küche und zieht einen Kaffee, um dies zu bekräftigen. Ich bleibe bei ihm, drehe ihm meinen Hals zu und zeige auf die verblassenden blauen Flecken.
    »Hier, guck dir das an! Hier hat mich Ozgür gewürgt, bis ich blau angelaufen bin. Roland hat meinen Arsch gerettet. Ach, den kennst du ja nicht, unseren Nachbar, bist ja nie zu Hause. Ich fahre jeden Tag nach Feierabend fünf Stunden mit deiner Frau zum Üben durch die Stadt, trotz der neuen Scheißmaut. Im Renault steckt auch

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