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Feindesland

Feindesland

Titel: Feindesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
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Vorsorgeuntersuchungen sind schon gemacht worden? Hast du regelmäßige Schwangerschaftsgymnastik gebucht?«
    »Mama, ich muss gar nichts buchen. Susanne ist schwanger! Susanne!«
    »O mein Gott, dass ich das noch erleben darf! Arthur! Arthur, komm her, sprich deinen Sohn, komm schnell, du wirst Großvater.«
    Man hört Schritte, der Vogel schnattert, ein Knie stößt an einen Sessel. Hartmuts Vater war nicht schnell genug. Kaum dass er den Hörer ergreifen und zu seinem ersten Wort ansetzen kann, macht seine Mutter weiter: »Dein Vater ist stolz auf dich. Wann ist es denn so weit? Wir können das Kinderzimmer hier auch in ein Enkelzimmer umbauen, wenn du mal kommst.«
    »Mein altes Zimmer ist kein Kinderzimmer, sondern ein Gästezimmer«, sagt Hartmut. »Ihr wohnt in einer neuen Wohnung. Das Zimmer dort habe ich als Kind noch nicht einmal bewohnt.«
    »Aber es steht die Hot-Wheels-Bahn darin aufgebaut. Und der C64.«
    Erschrocken sehe ich Hartmut an. »Du hast in Wesel noch einen C64?«, flüstere ich. Er rollt mit den Augen.
    »Dann wird eben das Gästezimmer zum Enkelzimmer«, sagt Hartmuts Mutter. »Falls wir unseren Sohn mit seinem Sohn überhaupt mal hier begrüßen dürfen. Oder mit seiner Tochter.«
    »Ach, Mama ...«
    »Und auf keinen Fall spielst du Killerspiele während der Schwangerschaft. Es ging gestern durch >Aspekte<, dass das die Ungeborenen am meisten schädigt.«
    »Mache ich nicht.«
    »Dann ist ja gut. Hach, dass ich das noch erleben darf!«
    »Mama?«
    »Ja?«
    »Ich muss jetzt hier weitermachen.«
    »Aber denk bitte darüber nach, wann wir die zwei Geburtstage nachholen, okay?« »Ja, mach ich.« »Hab dich lieb.« »Hab dich auch lieb, Mama.« Die Mutter legt auf.
    Susanne verschränkt die Arme: »Dass Männer zum Kinderkriegen Frauen brauchen, ist deiner Mutter aber klar, oder?«
    Hartmut verzieht die Augen in Birnenform. »Susanne, Schatz, du weißt doch, wie Mütter sind, sie ...«
    Das Telefon klingelt erneut. Schrill, laut, klar, unheimlich. Wir warten wieder zwei Sekunden. Dieses Mal nimmt Susanne ab. Ohne abzuwarten, wer dran ist, sagt sie: »Hier spricht die Mutter Ihrer zukünftigen Enkelin, was kann ich für Sie tun?«
    »Das ist so wunderbar, mein Engel!«, ertönt es aus dem Hörer, und es nicht die Stimme von Hartmuts Mutter, die dort jubelt. Diese Stimme ist lauter und hat einen Kölner Akzent.
    »Mutter?«
    »Susanne, dass ich das noch erleben darf. Meine Tochter wird Mutter! Meine feministische Tochter! Ich bin ganz aus dem Häuschen. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Ich werde schon ganz dusselig hier.«

     
    »Woher weiß du ... und woher hast du diese Nummer?«
    »Von Hartmuts Vater. Hat mich über sein Handy angerufen, weil seine Frau das Telefon blockierte. Du kannst dir nicht vorstellen, wie glücklich mich das macht. Ich werde gleich nachher den Pana anrufen, der soll das Esszimmer zum Enkelzimmer umbauen, falls ihr mal hier seid. Ich wusste doch immer, dass dieser Hartmut der richtige Mann für dich ist. Ein bisschen verrückt vielleicht und impulsiv, aber einfach der Richtige. Ich hab das schon damals gesehen, als er mir bei der Wohnzimmerlampe die Birnchen wechseln musste. Du weißt schon, die Lampe mit den Glasplatten und den Schraubverbindungen, für die man eigentlich drei Hände braucht, während man auf der obersten Leitersprosse steht. Keiner deiner ehemaligen Freunde hat das zu Ende gebracht, ohne diese Lampe zu verfluchen. Und wer die Schwiegersohntestlampe nicht besteht, der ist nicht gut genug für meine Tochter. Apropos Schwiegersohn. Wann richtet ihr denn dann eure Hochzeit aus? Wollt ihr das nicht in Köln machen? Ich frage den Pana, der hat gute Kontakte zum Tanzbrunnen. Wir könnten dort feiern, und wegen des Essens frage ich ...«
    »Mutter!«
    »Ja, ich rede schon wieder zu viel, tut mir leid. Ich weiß kaum, wo mir der Kopf steht. Aber kannst du's mir verdenken? Ich höre so lange nichts von dir, und dann erfahre ich, dass du schwanger bist! Du musst darauf achten, jetzt wie ein Scheunendrescher zu essen, hörst du? Fett, Kohlehydrate, Eiweiß, Proteine, alles rein. Du musst jetzt für zwei essen.«
    »Soll ich auch fernsehen und Videospiele spielen?«
    »Aber natürlich, du musst viel entspannen während der Schwangerschaft. Bei >Aspekte< haben sie durchgegeben, dass die Glückshormone, die eine Mutter während der Schwangerschaft erzeugt, für die Entwicklung des Kindes entscheidend sind. Du musst zusehen, dass du an eine Menge

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