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Feindesland

Feindesland

Titel: Feindesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
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Glückshormone kommst, Kind.«
    »Ich bin gerade in Berlin.«
    »Trotzdem, das geht schon ... Du bist gerade in Berlin?«
    Ich frage mich, wie lange wir uns alle nicht mehr bei unseren Eltern gemeldet haben. Es kommt einem nicht so vor, dass man sie monatelang darben lässt. Zeitlinien verlaufen nicht parallel, sie sind eine Sache der Wahrnehmung. Für Yannick vergeht an einem Tag gefühlt eine halbe Woche. Daher werden Katzen unleidlich, wenn man »nur« vier Stunden nicht mit ihnen gespielt hat. Als Kind empfand man sechs Wochen Sommerferien als so intensiv und ereignisreich wie heute ein ganzes Jahr. Selbst noch mit 15 vor dem Amiga hatte ich das Gefühl, ich wäre tagelang in Spielen wie Syndicate oder Hunter unterwegs gewesen. Die Eltern klagten derweil, wie die Zeit rase, es sei schon Ende Juli, ehe man sich versehe, lägen die Nikoläuse in den Regalen, von Jahr zu Jahr früher. Wird man selbst erwachsen, kehrt es sich um. Die Eltern leben Katzenzeit, während man selbst beschleunigt.
    »Ja, ich bin in Berlin, Mutter. Wir bauen hier gerade etwas auf, aber ich möchte noch nicht darüber sprechen. Du weißt, über unfertige Projekte spricht man nicht.«
    »Aber Kind, Berlin, wie soll ich euch denn da besuchen kommen? Da kosten die Zugtickets ja mehr als die meisten Akademiker heute im Monat verdienen.«
    »Das regeln wir schon.«
    »Nein, das kommt gar nicht in Frage.«
    »Doch, kommt es. Und sobald wir hier Land sehen, kommen wir mal runter, okay?«
    »Dann soll Pana mit dem Zimmer anfangen? Es wäre auch gerade günstig. Ich habe die Werbung von OBI gesehen, die bieten zurzeit Tapeten und Bodenbelag zu Sonderkonditionen an.
    Die alte Papyrustapete muss ja dann runter, das ist nichts für ein Kind, da denkt es ja, es wächst im Museum auf. Die haben den OBI übrigens komplett umgebaut hier, mit einer sehr schönen Gartenabteilung. Ich mache jetzt wieder mehr im Garten, trotz der knappen Zeit mit der Wirtschaft. Das hilft besser als die Rückengymnastik. Die bekomme ich von der Krankenkasse übrigens nicht mehr zu 100 % erstattet, da haben die auch wieder die Gesetze verändert. Die Cherrytomaten wachsen außerordentlich gut, das meint man gar nicht, so schattig, wie es da ist. Meine Stammgäste haben schon welche probiert unten. Oh, die waren begeistert. Am dritten Advent richte ich hier unseren eigenen Stammtisch aus, also oben jetzt, in der Wohnung, nicht in der Wirtschaft unten. Irgendwann ist es auch mal gut mit der Arbeit. Ich muss noch die Stühle aus dem Keller holen und ein wenig auffrischen. Ray kommt auch. Ich kann nur hoffen, dass er nicht wieder mit seinen Tiraden über die moderne Musikwelt anfängt.« »Mutter!«
    »Ja, ich rede schon wieder zu viel, tut mir leid. Ich weiß kaum, wo mir der Kopf steht.«
    »Mutter, ich muss jetzt Schluss machen, hier ist wirklich viel los.«
    »Ja, okay, dann will ich euch nicht aufhalten. Grüß Hartmut von mir und sag ihm, ich habe jeden Tag meine Freude daran, die Wohnzimmerlampe anzugucken. Jeden Tag, wenn ich vor dem Fernseher sitze, schaue ich zwischendurch an die Decke, sehe die Lampe und habe Spaß. Wenn der Pana hier ist, sage ich: >Schau, Pana, hab ich nicht eine schöne Lampe? Und alle Birnchen funktionieren wieder!< Ich gucke übrigens gerade diese neue Serie, wie heißt sie noch, wo dieser geheime Ort mit den ganzen Erfindungen vorkommt. Hach, wie heißt die noch? Ich vergesse auch immer mehr. Ich weiß gar nicht, wo mir der Kopf steht. Die haben hier jetzt auf Satellit umgestellt. Meine Güte, was da für Programme zu empfangen sind. Ganze Sender nur für Modeschmuck. Das ist vielleicht ein Unsinn ...« »Mutter!«
    »Ja, ja, du musst schaffen. Ich will auch gar nicht länger stören. Ich muss auch wieder runter, die Wirtschaft aufmachen. Hab heute Mittag Stammgäste. Denen erzähle ich erst mal, dass hier bald Kinder spielen.«
    »Ein Kind, noch sind es keine Zwillinge. Aber mach das ruhig.«
    »Gut, mein Schatz. Bis dann.« »Ja, bis dann!« Susanne legt auf.
    Hartmut macht Notizen auf dem noch leeren Schreibtisch, auf dem nur das Telefon steht, dessen Nummer noch gar nicht existieren dürfte. »Also«, murmelt er, »wenn wir am dritten Advent zu Susannes Mama fahren, könnte ich am Freitag und Samstag davor die beiden Geburtstage nachholen. Dann ließe sich am Sonntag danach ...«
    Susanne nimmt ihm den Zettel weg: »Hartmut!« Sie zeigt in den Raum. »Berlin! Firmengründung! Bodo! Unternehmertum! Arbeit!«
    Hartmut tippt viermal mit der

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