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Feine Familie

Feine Familie

Titel: Feine Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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solches Zeug veröffentlichen zu lassen, dann war er zu allem bereit. Wieder flackerte bei Lord Petrefact der dunkle Verdacht auf, daß man ihn hinterging. Und um die Probe aufs Exempel zu machen, zog er aus dem Sumpf des Familienklatsches das übelste Gewächs, das er finden konnte. »Was ist mit Simeon Petrefacts Vorliebe für Ziegen?« fragte er.
    »Wie ich gehört habe, mochte er sie am liebsten tot«, sagte Osbert. »Frisch geschlachtet und noch warm.« Lord Petrefact starrte ihn an. An seinen mageren Händen, die die Lehne des Rollstuhls umklammerten, traten die Knöchel weiß hervor. Irgend etwas war total schiefgelaufen. Oder sie versuchten nur, ihn bei Laune zu halten, weil sie hofften, daß er die Veröffentlichung von Yapps skurriler Geschichte gar nicht mehr erleben würde. Aber diese Hoffnung konnten sie begraben. »Nachdem ihr ja nun alle eure Zustimmung gegeben habt, wäre es vielleicht das beste, einen neuen Vertrag mit Professor Yapp zu schließen, einen Familienvertrag, den ihr alle unterschreibt und in dem ihr ihm vorbehaltlosen Zugang zu allen Dokumenten und Informationen zusichert, die er benötigt.« Wieder rechnete er mit Widerspruch, aber der Richter versprühte noch immer Jovialität, und die anderen wirkten ebenso ungerührt wie zuvor.
    »Also, Purbeck, wie lautet deine Antwort?« fragte er brüsk mitten in dieses irritierende Lächeln hinein. Aber diesmal war es eine andere Stimme, die ihm antwortete. »Ich kann mir kaum vorstellen, daß Professor Yapp noch sehr viel Gelegenheit haben wird, seine Nachforschungen über die Familie fortzusetzen, mein lieber Ronald.« Wütend riß Lord Petrefact den Kopf herum. Unter der Tür stand Emmelia und lächelte. Aber im Gegensatz zum jovialen Lächeln der anderen spiegelte sich in dem ihren Triumph und boshafte Schadenfreude.
    »Was zum Teufel soll das heißen?« fragte er, so drohend ihm das in seiner verqueren Stellung möglich war. Emmelia schwieg. Wie sie so dastand und lächelte, strahlte sie eine Gelassenheit aus, die in gewisser Weise noch besorgniserregender war als der Empfang der Familie. »Beantworte meine Frage, verflucht noch mal«, schrie Lord Petrefact. Und da er seinen Kopf nicht länger in der verrenkten Stellung halten konnte, wandte er sich wieder dem Richter zu. Purbecks Gesichtsausdruck war wenig aufschlußreich. Er sah Emmelia ebenso verblüfft an wie zuvor Lord Petrefact. Und die anderen ebenfalls.
    Schließlich wiederholte der Brigadegeneral seine Frage. »Äh ... also, ich meine ... was soll das heißen?« Aber Emmelia ließ sich nicht aus der Fassung bringen. Sie ging zur Klingel hinüber und läutete. »Jetzt wollen wir uns erst mal alle hinsetzen, und ich sage Annie, daß sie uns Tee bringen soll«, meinte sie, während sie Platz nahm wie jemand, der ein belangloses gesellschaftliches Beisammensein arrangiert hat. »Wie nett von dir, daß du gekommen bist, Ronald. Ohne dich wären wir ziemlich hilflos gewesen. Ah, Annie, Sie können den Tee heute hier servieren. Es sei denn ...«, sie machte eine vielsagende Pause und wandte sich dann an Lord Petrefact, »es sei denn, du hättest gern etwas Stärkeres.«
    »Weshalb denn, zum Teufel? Du weißt verdammt gut, daß die Ärzte mir verboten haben ...«
    »Dann einfach nur Tee, Annie«, unterbrach ihn Emmelia und lehnte sich in ihrem Sessel zurück. »Man neigt fast dazu, deine Leiden zu vergessen, mein lieber Ronald. Für einen Achtzigjährigen siehst du wirklich großartig jugendlich aus.«
    »Ich bin noch keine verdammten ...«, begann er, bevor er merkte, daß das nur ein Köder gewesen war. »Kümmere du dich nicht um mein Alter, sondern sag mir lieber, warum du dir verdammt noch mal einbildest, Professor Yapp würde die Familiengeschichte nicht schreiben.«
    »Weil er, mein lieber Ronald«, sagte Emmelia, die die Spannung sichtlich genoß, »allem Anschein nach ... nun, wie soll ich es ausdrücken? ... Sagen wir einfach, daß er mehr Zeit zur Verfügung hat, als ihm ...«
    »Zeit zur Verfügung? Was zum Teufel soll dieses Gefasel? Natürlich hat er Zeit zur Verfügung. Sonst hätte ich ihn wohl kaum engagiert.«
    »Nicht ganz die Zeit, die du dir vorstellst. Ich glaube, man könnte auch sagen, er brummt.«
    Lord Petrefact stierte sie verständnislos an. »Brummt?«
    »Brummt. Wenn ich recht informiert bin, so ist das der volkstümliche Ausdruck für ›eine Gefängnisstrafe absitzen‹. Purbeck, du mußt das doch wissen.«
    Der Richter nickte ausdruckslos.
    »Du meinst also,

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