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Feine Familie

Feine Familie

Titel: Feine Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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überquerte sie die Straße, bog in die New House Lane ein und wollte sich schon an den sanften Aufstieg machen, als ihr ein Aushänger vor dem Zeitungskiosk an der Ecke ins Auge sprang. Dort hieß es: PROFESSOR UNTER MORDVERDACHT.
    Zum drittenmal an diesem Nachmittag hatte Emmelia das deutliche Gefühl, daß ihr etwas Außerordentliches widerfuhr. Sie kaufte sich die  Bushampton Gazette  und las, mitten auf dem Bürgersteig stehend, den ganzen Bericht. Als sie damit fertig war, stellte sich heraus, daß ihr Eindruck sie nicht betrogen hatte. Frohlockend über ihre zurückeroberte Bosheit ging sie den Hügel hinauf.

Kapitel 23
    Sie war nicht die einzige, der sonderbar zumute war. Auch für Lord Petrefact hatte sich die Situation gravierend verändert. Während er auf die Rückkehr seiner Verwandtschaft wartete, hatte er Croxley mit abscheulichen Erinnerungen an seine versaute Kindheit und an seine Ferien im New House ergötzt, hatte voll genüßlicher Schadenfreude berichtet, wie er mit dem Luftgewehr auf einen Gärtnergehilfen geschossen hatte, während sich der Kerl über die Zwiebeln beugte, und wie er da drüben im Fischteich den Lieblingspekinesen seiner Tante ersäuft hatte. Als die Familie schließlich eintraf, setzte Lord Petrefact zur Begrüßung sein widerlichstes Gesicht auf, mußte aber zu seiner Überraschung feststellen, daß seine Haßgefühle nicht erwidert wurden.
    »Mein lieber Ronald, wie schön, sich mit eigenen Augen davon überzeugen zu können, daß es dir gutgeht«, sagte der Richter mit noch nie dagewesener Gutmütigkeit, und bevor sich Lord Petrefact von diesem Schock erholen konnte, wurde er von äußerst beunruhigender Jovialität überrollt. Osbert, der bei mehr als einer Gelegenheit geäußert hatte, daß er, wenn es nach ihm ginge, Ronald am liebsten wie eine Sau abschlachten würde, strahlte ihn förmlich an.
    »Exzellente Idee, die du da hattest, so eine Familiengeschichte schreiben zu lassen«, dröhnte er. »Ich möchte nur wissen, warum nicht eher jemand darauf gekommen ist.«
    Sogar Rändle verströmte ein Wohlwollen, in dessen Genuß sonst nur seine Wüstenrennmäuse und siamesischen Katzen kamen.
    »Gut siehst du aus, Ronald, du strotzt ja vor Gesundheit«, murmelte er, während Fiona ihren Widerwillen gegen Männer unterdrückte und ihn auf die Wange küßte. Einen panischen Augenblick lang konnte Lord Petrefact daraus nur den Schluß ziehen, daß es um seine Gesundheit sehr viel schlechter bestellt war, als er glaubte, und daß die ungewohnte Herzlichkeit, mit der er überschüttet wurde, ein Vorzeichen seines nahenden Todes sein mußte. Als Croxley ihn, vom Rest der Familie liebevoll umringt, ins Haus hinein und in den Salon rollte, mobilisierte Lord Petrefact seine ganzen Haßgefühle. »Es geht mir nicht gut«, schnaubte er. »Tatsache ist, daß es um meine Gesundheit miserabel steht, aber ich kann euch versichern, daß ich nicht die Absicht habe, euch zuliebe abzukratzen. Dazu bin ich zu sehr an unserer Familiengeschichte interessiert.«
    »Wir ebenso«, sagte der Richter, »das ist gar keine Frage.« Ringsum erhob sich zustimmendes Gemurmel. Lord Petrefact fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. Zustimmung war das letzte, was er erwartet oder gewollt hatte. »Und ihr habt nichts dagegen, daß Professor Yapp daran arbeitet?«
    Eine Sekunde lang glaubte Lord Petrefact ein winziges Zögern zu bemerken, als der Richter seine Hoffnungen auch schon enttäuschte. »Wie ich höre, ist er so eine Art Radikaler«, sagte er, »aber ich bin ziemlich sicher, daß sein Gebell schlimmer ist als sein Biß.«
    Lord Petrefact neigte dazu, ihm recht zu geben. Wenn Yapps Anwesenheit in Buscott nicht mehr bewirkt hatte als diese bizarre Freundlichkeit seitens der Familie, dann hatte er überhaupt nicht gebissen. »Und ihr seid alle damit einverstanden, daß er uneingeschränkten Zugang zur Familienkorrespondenz erhält?«
    »Ich wüßte nicht, wie er das Buch ohne diese Informationen anständig schreiben könnte«, meinte Rändle. »Und ich bin überzeugt, daß es sich auch gut verkaufen wird. Unser Osbert hat mich gerade an die Geschichte erinnert, wie Onkel Oswald den japanischen Vertrag für das Schwimmdock an Land gezogen hat. Offenbar hat er Tante Georgette überredet, eines Abends auf dem Rückweg vom Klo in das Zimmer des zuständigen Schlitzauges zu schlüpfen und ...« Lord Petrefact hörte sich die Geschichte mit zunehmender Besorgnis an. Wenn Rändle bereit war,

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