Feine Familie
daß das Glück der Menschheit letztlich sichergestellt war. Sobald er sich zum Gegenteil bekannte, lief er wirklich Gefahr, Mr. Rubiconds Ratschlag wörtlich zu nehmen und verrückt zu werden. Um diesem Schicksal zu entgehen, redete er sich beständig ein, daß man ihn in eine Falle gelockt habe.
Dementsprechend sah dann auch seine Argumentation aus. »Aber ich will ins Kreuzverhör genommen werden«, protestierte er, als ihm der Anwalt erklärte, daß man ihn nicht in den Zeugenstand rufen würde. »Nur so habe ich die Chance, die Wahrheit zu sagen.«
»Und unterscheidet sich die Wahrheit in irgendeiner Weise von der Aussage, die Sie gegenüber der Polizei gemacht und unterschrieben haben?« fragte Mr. Rubicond. »Nein«, erwiderte Yapp.
»Wenn das so ist, dann wird sie den Richtern und Geschworenen vorgelegt, und Sie ersparen es sich, die ganze Sache nur noch schlimmer zu machen. Wenn Sie natürlich wild entschlossen sind, sich vierzig Jahre anstelle einer rein nominellen lebenslänglichen Haftstrafe einzuhandeln, kann ich Sie nicht daran hindern. Lord Broadmoor wartet nur auf die Gelegenheit, die längste Haftstrafe in der Geschichte dieses Landes zu verhängen. Und ich bin fest davon überzeugt, daß er sie beim Schöpf ergreifen wird, wenn Sie als Zeuge auftreten. Sind Sie ganz sicher, daß Sie sich nicht lieber schuldig bekennen und das Ganze schnell hinter sich bringen wollen?« Aber Yapp beharrte auf seiner Unschuld und der Gewißheit, daß er einer Verschwörung dieser kapitalistischen Petrefacts zum Opfer gefallen war.
»Auf alle Fälle haben Sie die Möglichkeit, ein paar Worte zu sagen, sobald die Geschworenen mit ihrer Entscheidung zurückkehren«, sagte Mr. Rubicond trübsinnig. »Aber wenn Sie meinen Rat befolgen wollen, dann schweigen Sie lieber. Lord Broadmoor reagiert wütend auf Mißachtung des Gerichts und bringt es ohne weiteres fertig, Ihnen noch ein paar Jahre zusätzlich aufzubrummen.«
»Die Geschichte wird mich reinwaschen«, sagte Yapp. »Das ist mehr, als man von den Geschworenen behaupten kann. Mrs. Coppett wird einen denkbar gräßlichen Eindruck auf sie machen. Soweit ich in Erfahrung bringen konnte, hat sie bereits gestanden, daß sie Ehebruch begangen hat.«
»Ehebruch? Mit mir? Aber das ist unmöglich. Es ist absolut unwahr, und abgesehen davon bezweifle ich sehr, daß sie die Bedeutung dieses Wortes überhaupt kennt.«
»Aber die Geschworenen kennen sie«, sagte Mr. Rubicond. »Und dieses verstümmelte Korsett wird unserem Fall auch nicht sonderlich guttun. Broadmoor wird die Geschworenen garantiert darauf hinweisen. Nicht, daß das nötig wäre. Derartige Abscheulichkeiten sprechen für sich selbst.« Niedergeschmettert hüllte Yapp sich in Schweigen. Mit der ihm eigenen Gutherzigkeit verglich er sein Schicksal mit dem der armen und gelangte zu dem Schluß, daß er nur unwesentlich schlechter dran sei.
»Ohne ihren Willy, um den sie sich kümmern kann, ist sie mit ihrer Weisheit sicher am Ende«, sagte er schließlich. »Kommt drauf an, wo die anfängt«, meinte Mr. Rubicond, dem es nach wie vor unbegreiflich war, daß ein Mann mit Yapps Bildung und Ansehen an der geistig minderbemittelten Frau eines Zwerges irgend etwas auch nur im mindesten Reizvolles finden konnte. Dies war für ihn das stärkste Indiz für die Annahme, daß sein Klient beides war: schuldig und geisteskrank. »Jedenfalls hat sie meines Wissens Unterschlupf bei Miss Petrefact gefunden. Dort ist sie in guten Händen, falls das ein Trost für Sie ist.«
War es nicht. Als Yapp jetzt in seine Zelle zurückkehrte, war er erst recht davon überzeugt, daß er in eine Falle getappt war. Zwei Tage später schickte er Mr. Rubicond und Sir Creighton Hore weg und erklärte, daß er die Absicht habe, seine Verteidigung selbst zu übernehmen.
Kapitel 24
Obwohl alle und alles auf Yapps Untergang hinzuwirken schienen gab es doch eine Person, die zunehmend von seiner Unschuld überzeugt war. Seit jenem Tag, an dem Rosie Coppett aus der Rabbitry Road ausgezogen war und ihre Freistilringer und einen Großteil von Willys Kätzchen und Häschen an die schrägen Wände ihres Mansardenschlafzimmers im New House gepinnt hatte, hatte Emmelia sie fast täglich über die Ereignisse vor und nach Willys Tod befragt. Und jedesmal wurde Emmelia, die bei einer dieser Gelegenheiten Rosies Kakao mit Whisky versetzt hatte, aufs neue in ihrer Überzeugung bestärkt, daß, wer immer auch Willy getötet haben mochte, Yapp nicht der
Weitere Kostenlose Bücher