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Feine Familie

Feine Familie

Titel: Feine Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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betreten hätte. »Da ist er«, kreischte sie, »das ist der Mann, den Sie suchen!« Yapp blieb wie angewurzelt stehen und starrte sie an. Auf der Stelle war er von mehreren Polizisten umringt, die ihn, dicht gefolgt vom Inspektor, in das ehemalige große Speisezimmer schoben.
    »Ich protestiere gegen diese Ausschreitung«, begann er getreu der verfahrensmäßigen Routine, die er sich im Laufe zahlreicher politischer Demonstrationen angeeignet hatte. Doch der Inspektor ließ sich von seinem Protestgeschrei wenig beeindrucken.
    »Name?« fragte er, nachdem er sich an einen Tisch gesetzt hatte.
    Yapp überlegte und beschloß, nicht zu antworten. »Ich bestehe darauf, meinen Anwalt zu sprechen«, sagte er.
    Der Inspektor notierte sich diesen Mangel an Kooperationsbereitschaft. »Adresse?«
    Yapp schwieg.
    »Ich kenne meine Rechte«, sagte er, sobald der Inspektor aufgeschrieben hatte, daß der Verdächtige sich weigere, Name und Adresse anzugeben, und daß er von Anfang an aggressives Verhalten an den Tag gelegt habe.
    »Das kann ich mir vorstellen. Sind wohl schon früher durch die Mühle gegangen, was? Und haben eine eigene Akte gekriegt.«
    »Eine Akte?«
    »Haben Tüten geklebt.«
    »Wenn Sie damit andeuten wollen, ich sei im Gefängnis gewesen ...«
    »Hören Sie«, erklärte der Inspektor. »Ich deute gar nichts an, außer daß Sie meine Fragen nicht beantworten wollen und daß Sie sich verdächtig verhalten haben. Also ...« Während das Verhör begann, ging Croxley voller Genugtuung nach oben. Mrs. Billington-Wall mochte zwar jede Menge Verwirrung stiften, aber mit anzusehen, wie Waiden Yapp von drei Polizisten ins Speisezimmer geschleift wurde, hatte ihn denn doch ungeheuer aufgeheitert. Croxley war noch immer gekränkt darüber, daß Lord Petrefact ihn bei der Unterzeichnung des Dokuments nicht in dessen Inhalt eingeweiht hatte. Es hätte ebensogut Lord Petrefacts Testament sein können, obwohl Yapps Unterschrift dafür wohl kaum erforderlich gewesen wäre. Nein, es mußte sich um irgendeinen Vertrag handeln, und als engster Vertrauter und Privatsekretär hatte er das Recht, ihn zu kennen. Folglich betrat er das Schlafzimmer mit leiser Vorfreude.
    »Unten ist der Teufel los. Und diesmal kriegt er sein Fett weg«, verkündete er. Die Metapher war nicht zufällig gewähltsondern zielte auf eine maximale Wirkung bei Lord Petrefact ab, der angesichts seines verkorksten Magens auf die bloße Erwähnung von Fett allergisch reagierte. »Fett? Was? Wo?« kreischte der aufgescheuchte Peer. »Im Speisezimmer«, sagte Croxley. »Dieses Billington-Weib hat Yapp belangt.«
    »Ihn belangt?« fragte Lord Petrefact begriffsstutzig. »Das ist Polizeijargon und bedeutet, jemanden beschuldigen. Jedenfalls haben sie sich den Kerl geschnappt und fühlen ihm auf den Zahn.«
    »Aber ich habe doch gesagt, Sie sollen uns die Hundesöhne vom Hals schaffen!« schrie Lord Petrefact. »Ich habe Ihnen wörtlich befohlen ...«
    »Es ist zwecklos, sich aufzuregen. Ich habe ihnen gesagt, sie sollen verschwinden, aber sie wollten nicht auf mich hören. Ich habe fest den Eindruck, als wolle der Inspektor nicht glauben, daß es Sie überhaupt noch gibt. Er besteht darauf, Sie zu sehen.«
    »Bei Gott, das soll er«, brüllte der alte Mann und hievte sich an den Bettrand. »Holen Sie die Ärzte und diesen verdammten Rollstuhl ...« Er unterbrach sich und dachte an das Treppenschicksal seines Großonkels Erskine und die tödlichen Eigenschaften des Rollstuhls. »Wenn ich es mir recht überlege, lieber doch nicht. Im Besucherflügel steht eine Sänfte. Die werde ich nehmen.«
    »Wenn Sie darauf bestehen«, sagte Croxley zögernd, aber es gab keinen Zweifel, daß Lord Petrefact es ernst meinte. Seine Verwünschungen folgten Croxley den Gang hinunter. Zwanzig Minuten später schwankte die Sänfte unter den Stoßgebeten und gelegentlichen Flüchen Lord Petrefacts auf den Schultern Croxleys, zweier Diener, des Küchenchefs und der männlichen Mitglieder des Reanimationsteams die Treppe hinunter.
    »Wenn jemand diesen verdammten Kasten fallen läßt, wird er dessen Ende nicht mehr erleben«, zeterte er auf halbem Weg, ohne den dieser Bemerkung anhaftenden Mangel an Logik wahrzunehmen. Aber sie kamen wohlbehalten unten an und schwankten geradewegs ins Speisezimmer – zur großen Überraschung des Inspektors, der Yapp endlich das Geständnis abgerungen hatte, daß er Professor für Proletarische Geschichtsschreibung an der Universität Kloone sei. Das zu

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