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Feine Familie

Feine Familie

Titel: Feine Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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Lord Petrefact wandte sich wieder seinem Gast zu. »Sie werden in Buscott beginnen, in der Mühle. Mit dieser Fabrik hat die eigentliche Geschichte unserer Familie begonnen. Sie wurde 1784 errichtet und ist, wenn ich richtig informiert bin, noch heute in Betrieb. Abscheuliches Loch. Ich habe meine Gesellenzeit dort verbracht. Sie wird Ihnen einen ziemlich guten Eindruck von den allgemeinen Voraussetzungen vermitteln, unter denen die Familie damals zu Macht und Vermögen gelangt ist. Jetzt wird sie von Emmelia, meiner jüngeren Schwester, geleitet. Sie stellt dort ethnische Bekleidung her, was immer das sein soll. Sie finden Emmelia im New House in Buscott. Nicht zu verfehlen. Und die frühesten Aufzeichnungen und Dokumente befinden sich im dortigen Heimatmuseum. Es dürfte Ihnen nicht schwerfallen, da ranzukommen. Falls doch, berufen Sie sich einfach auf mich.«
    »Ein Empfehlungsschreiben wäre vielleicht nützlich«, meinte Yapp.
    Lord Petrefact bezweifelte das sehr, war jedoch zu einem Kompromiß bereit. »Croxley soll Ihnen einen Scheck ausschreiben, sobald er diese verfluchten Bullen losgeworden ist. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden. Die Ereignisse des heutigen Morgens haben mich ziemlich mitgenommen.« Und mit der abschließenden Ermahnung, mit den Nachforschungen in Buscott zu beginnen, verabschiedete Lord Petrefact seinen Gast und legte sich mit dem tröstlichen Gedanken, daß dieser abscheuliche Mensch aus Emmelia und allen anderen Petrefacts, die die Gegend rund um Buscott verschandelten, Hackfleisch machen würde, erschöpft in die Kissen zurück.
    Waiden Yapp freilich, der über den inzwischen wohlvertrauten langen Gang zur Treppe eilte, hatte keine Ahnung von diesen verborgenen Motiven. Noch war er zu benommen von dem plötzlichen Wandel seines Pechs in das unbegreifliche Glück, die einmalige Chance zu erhalten, jene sozialen Untaten anzuprangern, die den Reichtum der Petrefacts begründet und den Bau dieses grauenhaften Hauses ermöglicht hatten, um sich auf weiter entfernte Probleme zu konzentrieren. Oder auch nur auf die nächstliegenden. Sein ausschließlich theoretisch veranlagtes Gehirn war so sehr mit dem statistischen Beweismaterial für das Elend der Arbeiterklasse beschäftigt, das ihm die Archive der Petrefacts liefern würden, daß er am Fuß der großen Treppe angelangt war, bevor ihm vollends bewußt wurde, daß sich dort eine ungewöhnliche Anzahl Polizisten herumtrieb. Er blieb stehen und betrachtete sie voller Mißtrauen. Yapp haßte Polizisten. Ein Dogma seiner Gesellschaftsphilosophie besagte, daß sie die Leibwächter der Besitzenden waren, und in seinen oft recht schwülstigen Vorlesungen hatte er sie wiederholt als die Prätorianergarde des Privatunternehmertums bezeichnet.
    In der gegenwärtigen Situation schienen sie eher die umgekehrte Rolle zu spielen. Croxley stritt mit einem Inspektor, der seine ganze Aufmerksamkeit dem Blutflecken auf dem Marmorboden zuwandte.
    »Ich sage Ihnen doch, daß das Ganze ein Unfall war«, beschwor Croxley ihn, »und daß überhaupt kein Anlaß für Ihre Anwesenheit besteht.«
    »Mrs. Billington-Wall sieht das anders. Sie sagt ...«
    »Ich weiß, was sie gesagt hat, und wenn Sie meine Meinung hören wollen, dann ist die Frau verrückt. Lord Petrefact hat mir aufgetragen ...«
    »Diesen Lord Petrefact würde ich gerne mit eigenen Augen sehen, bevor ich mir eine Meinung bilde«, entgegnete der Inspektor verdrossen.
    »Verständlich«, sagte Croxley. »Andererseits möchte er Sie nicht sehen, und seine ärztlichen Betreuer haben Anweisung gegeben, daß er nicht gestört werden darf. Sein Zustand läßt sehr zu wünschen übrig.«
    »Wenn das so ist, gehört er ins Krankenhaus«, meinte der Inspektor. »Beides zugleich geht nicht. Wenn er zu krank ist, um mich zu empfangen, dann ist er auch zu krank, um hier zu bleiben. Ich werde einen Krankenwagen bestellen und ...«
    »Falls Sie das tun sollten, werden Sie es bitter bereuen«, schrie der inzwischen höchst aufgebrachte Croxley. »Sie glauben doch nicht, daß sich Lord Petrefact in ein gewöhnliches Krankenhaus legt! Entweder in die London Clinic oder gar nicht.«
    »Dann werde ich eben hinaufgehen und mit ihm reden.« Als der Inspektor auf die Treppe zueilte, schien Yapp die Gelegenheit gekommen, sich aus dem Staube zu machen. Er schritt durch die Halle in Richtung Tür und hätte es womöglich geschafft, wenn nicht ausgerechnet in diesem Augenblick Mrs. Billington-Wall die Szene

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