Feine Milde
van Gemmern längst wettgemacht, und er legte wesentlich mehr Engagement und Phantasie an den Tag.
Toppe erwischte Berns auf dem ersten Treppenabsatz. Von einem konstruktiven Gespräch konnte nicht die Rede sein, aber wenigstens wurde Toppe alles los, was ihm seit Freitag im Magen gelegen hatte.
»Wie siehst du denn aus, Helmut?« fragte Heinrichs besorgt. »Und wo ist Astrid? Habt ihr euch gekracht?«
»Nein, Astrid ist krank.« Dann grinste Toppe. »Ich habe nur gerade Berns auf der Treppe getroffen.«
»Ach so!«
Sie hatten alle am Sonntag genug Zeit gehabt nachzudenken, und so ging die Verteilung der Aufgaben für die nächsten Tage zügig über die Bühne.
Ackermann wollte gern mit Heinrichs zusammen Breiteneggers Unfall untersuchen. »Nich’ dat ihr dat jetz’ falsch versteht, von wegen, ich wollt hier mein Ding abziehen. Ich bin bloß dem Walter sein Handlanger. Wir haben da so unsere Ideen. Ihr braucht euch um nix zu kümmern.«
Er sah sich kritisch um. »Bin bloß froh, dat wir viel unterwechs sind. Jetz’, wo ich hier hocken muß, fällt et mir ers’ ma’ auf, wie eng dat is bei euch inner Bude. Wieso ei’ntlich? Unser Büro is’ bestimmt doppelt so groß.«
Das K 1 hatte den kleinsten Raum im ganzen Präsidium. Vor einem Jahr war endlich renoviert worden: neue Fenster, neuer Fußboden, frische Farbe, sogar moderne Doppelschreibtische hatte man ihnen reingestellt. Nun war zwar alles heller, aber eng war es noch immer; sie hatten sich mit den Jahren daran gewöhnt, oder besser, sich abgefunden.
Jetzt haben wir ja einen Platz mehr, dachte es in Toppe, und er erschrak, aber dann sah er, daß van Appeldorn genau denselben Gedanken gehabt haben mußte.
Sie würden zusammen mit Astrid, wenn sie denn wieder gesund war, die Leute aufsuchen, die auf der Jugendamtsliste standen: hundertdreizehn Ehepaare.
Van Appeldorn machte sich daran, die Liste nach Wohnorten zu dritteln. Eine ganze Weile stritten sie sich, wer den Südkreis übernehmen sollte, aber van Appeldorn gab schließlich nach. Um Viertel vor zehn waren sie endlich unterwegs.
»He«, rief Heinrichs ihnen nach, »mir fehlen noch ein paar Berichte von euch. Ich will morgen früh meine Akten in Ordnung haben. Jupp?« drehte er sich dann zu Ackermann und sah ziemlich verlegen aus. »Ich habe gedacht, vielleicht …« Er holte eine Plastiktüte aus seinem Schreibtisch. »Jetzt wo du draußen tätig bist, meine ich, aber ich will dir nicht zu nahe treten.«
Ackermann nahm die Tüte und linste hinein: vier Polohemden in weiß und himmelblau. Er lachte verschmitzt.
»Kuck, ich hab selbs’ dran gedacht.« Über der Stuhllehne hing die Jacke vom schwarzen Beerdigungsanzug. »Aber danke, dat du mitdenks’.«
Es war eigentlich nicht nötig, die Reparaturwerkstätten aufzusuchen. Die Gespräche konnte Heinrichs telefonisch erledigen. Ackermann hielt die Zulassungsstelle für viel aussichtsreicher. Da sie jetzt den Wagentyp kannten, konnte er sich die Namen der Halter geben lassen und sie aufsuchen.
Allzu viele durften es wohl im Kreis nicht sein. Er war ganz zuversichtlich, daß er das in zwei Tagen schaffen konnte.
»Aber wat and’res: wie heißt no’ ma’ der Holländer mit dem Kinderhandel?«
»Lowenstijn. Die Nummer müßte auf Norberts Schreibtisch liegen. Wieso?«
Eine Hand wasche die andere, meinte Ackermann. Wenn sie hier in Sachen Kinderhandel ermittelten, konnten Lowenstijns Leute sich doch mal die Werkstätten und Fahrzeughalter auf ihrer Seite der Grenze vornehmen. Heinrichs glaubte immer noch nicht, daß der Fahrer ein Holländer gewesen war, aber Ackermann versicherte ihm, das mit dem Glauben sei so eine Sache, auf die man sich im Ernstfall besser nicht verlassen sollte. Er beschloß, Lowenstijn nicht anzurufen, sondern gleich hinzufahren: So ein persönlicher Eindruck sei doch immer besser. Heinrichs behielt seine Zweifel für sich.
»Ach übr’ens«, grinste Ackermann im Hinausgehen, »ich schreib gern Berichte. Meine kanns’ du alle heute abend noch kriegen.«
Stanislaus Siegelkötter kam um die Mittagszeit und war sichtlich enttäuscht, nur Heinrichs vorzufinden. Ein großer Bahnhof wäre ihm für seinen Auftritt lieber gewesen. Heinrichs schlug ihm vor, doch um halb sechs noch einmal wiederzukommen, aber das war Herrn Siegelkötter zu spät, da war er schon mit dem Oberkreisdirektor zum Golfen verabredet.
Er machte es sich schließlich in seiner lackierten Art bequem und erzählte von den neuen »niederländischen
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