Feine Milde
Freunden«.
»Für uns ist das Schengener Abkommen schon vor der Unterzeichnung Realität geworden. Es ist für beide Seiten selbstverständlich, alle Karten offen auf den Tisch zu legen. Sie können sich vorstellen, wieviel mir das bedeutet, nicht wahr? Seit Jahren bemühe ich mich ja schon in den verschiedensten Gremien darum, die internationale polizeiliche Zusammenarbeit in Europa auf einen Standard zu bringen, der den Anforderungen unserer bewegten Zeiten gerecht wird.«
Heinrichs fragte vorsichtig, was das denn genau bedeute, und Stasi meinte näselnd, er habe zum Beispiel Einblick erhalten in die komplette Akte Kinderhandel und sie gründlichst studiert. »Sie können von mir jede Information bekommen, die Sie benötigen.«
Heinrichs rieb sich innerlich die Hände. Er konnte es sich nicht verkneifen und holte den dicken Ordner mit den Papieren, die Lowenstijn ihnen hatte zukommen lassen.
Siegelkötters Fassungslosigkeit war eine Augenweide. Mit gerunzelter Stirn blätterte er in der Akte herum. »Da fehlen doch aber wesentliche Fakten«, murmelte er.
»Das habe ich mir schon gedacht«, sagte Heinrichs. »Ich bin froh, daß Sie die jetzt ergänzen können.«
»So auf die Schnelle geht das natürlich nicht«, entgegnete Stasi vorwurfsvoll.
»Sie können die Akte gern bis heute abend mitnehmen«, antwortete Heinrichs katzenfreundlich. »Haben Sie denn noch mehr Dinge erfahren, die für uns von Bedeutung sind?«
Es stellte sich heraus, daß Siegelkötter bei der Bergung von Rob de Boers Leiche dabeigewesen war und bei der bisher erfolglosen Tauchaktion nach dem zweiten Fahrer eine Weile zugeschaut hatte. Den Rest der Zeit hatte er mit »wichtigen Konferenzen und informellen Gesprächen« verbracht.
Heinrichs gab ihm einen kurzen Bericht über den aktuellen Stand ihrer Ermittlungen.
»Sehen Sie denn noch andere Verbindungen nach Deutschland?« fragte er dann. »Ich meine, könnten wir noch irgendwo anders ansetzen als bei der Liste vom Jugendamt?«
Er hatte seinen Spaß. Manchmal war es so einfach, den Alten abfahren zu lassen.
»Nein, aber ich werde gern noch einmal mit den zuständigen Herren sprechen«, bot Stasi an, schon halb an der Tür.
Heinrichs konnte es nicht lassen. »Ach übrigens, dürfte ich Sie an Ihren Bericht erinnern?«
»Bericht?«
»Selbstverständlich. Sie sind ermittelnd tätig, da brauche ich dann schon Ihren Bericht.«
»Von mir?«
»Ja.«
Siegelkötter ging einfach hinaus.
»Bis morgen zur Frühbesprechung, bitte«, rief Heinrichs ihm nach.
Na, darauf war er gespannt. Er fand Berichte immer äußerst aufschlußreich. Van Appeldorn zum Beispiel, der ja mit dem Mund weder besonders langsam noch besonders umständlich war, tat sich mit dem Schreiben schwer: seine Texte waren hölzern und gespickt mit schwerfälligen Formulierungen. Wann mochte Stasi wohl seinen letzten Bericht geschrieben haben?
Toppe mußte warten; die Schülerlotsen hatten die Straße gesperrt. Schon ein paarmal hatte er heute NIAG-Busse mit dem Aufkleber Schule hat begonnen gesehen. Die I-Dötzchen überquerten die Fahrbahn mit ihren krähbunten Ranzen auf dem Rücken, die doppelt so groß schienen wie die Kinder. An ihrer Seite strahlende Mütter – Erster Schultag – ein paar Väter auch. Das würde sich auch noch legen. Am ersten Schultag war er bei seinen Kindern auch dabeigewesen, hatte sich für das große Ereignis sogar den ganzen Tag freigenommen, aber später … Er war auf dem Weg zum nächsten adoptionswilligen Paar auf seiner Liste. Es war eine seltsame Erfahrung: natürlich waren die Leute alle verschieden in ihren Persönlichkeiten, aber sie ähnelten sich auch in so vieler Hinsicht. Sie waren alle im selben Alter, zwischen Ende Zwanzig und Anfang Dreißig, gut situiert mit geregeltem Einkommen. Die meisten hatten ein Eigenheim oder zumindest eine große Wohnung, und immer gab es einen freien Raum, der einmal das Kinderzimmer werden sollte. Die Beziehungen waren, zumindest auf den ersten und zweiten Blick, das, was man landläufig als »sehr glücklich« bezeichnete. Die Frauen hatten eine ähnliche Geschichte. Viele hatten schon jetzt ihren Beruf aufgegeben, um ganz für das Kind da zu sein, wenn es denn endlich so weit wäre, und die meisten von ihnen hatten jahrelang versucht, schwanger zu werden und waren auch jetzt noch vollkommen aufs Warten fixiert. Viele Paare hatten sich inzwischen an INTERKIDS oder andere private Adoptionsvermittlungen gewandt, und Toppe konnte mittlerweile
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