Feine Milde
fürchte, wir müssen sie uns mal für ein paar Tage ausleihen.«
Maywald setzte sich und wies mit der Hand auf den freien Stuhl vor seinem Schreibtisch, aber van Appeldorn blieb stehen.
»Ich habe Ihren Kollegen doch schon gesagt, daß wir den Datenschutz sehr ernst nehmen. Ohne ausdrückliche Einwilligung der Kunden gewähre ich niemandem Einblick in die Unterlagen. Was würden Sie denn sagen, wenn jeder einfach so in Ihrem intimsten Privatleben rumschnüffeln könnte?«
Van Appeldorn schlenderte zum Fenster hinüber und sah zur Schwanenburg hoch.
»Ich war eigentlich immer ein ganz guter Langstreckenläufer«, sagte er zu sich selbst. »Die Treppen zur Burg hoch, fünf Minuten für den Papierkram, dann wieder runter …« Er drehte sich um. »In neun Minuten könnte ich Ihnen eine richterliche Verfügung vorlegen.«
Maywald sprang auf. »Liebe Güte, Mann! Wenn es so wichtig ist, dann nehmen Sie den Krempel doch mit. Sonst heißt es nachher noch, wir hätten was zu verbergen.«
Er eilte zum Aktenschrank, zog eine Schublade heraus und sah sich suchend um. »Wo packe ich das denn jetzt rein?« murmelte er. Im Nebenzimmer fand er einen Karton. Van Appeldorn stand gegen die Wand gelehnt und beobachtete, wie Maywald die Papiere sorgfältig schichtete.
»Ich würde nur gern wissen, was Sie eigentlich suchen.«
»Tja«, grinste van Appeldorn und nahm den Karton an sich. »Wenn wir’s gefunden haben, sind Sie der erste, der es erfährt. Das kann ich Ihnen versprechen.« Damit verabschiedete er sich.
Maywald konnte seinen Zorn nicht mehr kontrollieren.
»Bringen Sie mir bloß die Ordnung nicht durcheinander«, brüllte er van Appeldorn nach. »Sonst werde ich mich über Sie beschweren. Da können Sie Gift drauf nehmen.«
Heinrichs gluckste zufrieden, als van Appeldorn zur Morgenbesprechung erschien. Bis auf Ackermann waren sie jetzt vollzählig.
»Ist das die Kartei? Prima, da weiß ich ja, was ich heute zu tun habe.«
Dann sah er sie alle der Reihe nach an. Sie kannten das Gesicht: ein bißchen verschmitzt, ein bißchen aufgeregt, wie ein Kind vor seiner Geburtstagstorte. Walter Heinrichs hatte eine Idee.
»Mir ist da was aufgefallen, wißt ihr? Dieser Maywald fungiert doch da manchmal als gesetzlicher Vertreter für die Pflegekinder, bis die Adoption durch ist. Ich habe zuerst gedacht, der macht das vielleicht für alle INTERKIDS-Kinder, aber dem ist nicht so. Er ist das nur bei den Zwillingen Schimmelpfennig, und er war es bei diesem Dennis Klein, den Norbert gestern besucht hat. Alle drei Kinder kommen aus Bulgarien. Es kann ja sein, daß ich spinne, aber irgendwie höre ich da die Glocken läuten. Jetzt habe ich eben noch mal mit der Frau Derksen vom Jugendamt telefoniert, und die sagt, das wäre schon ein bißchen ungewöhnlich. Eigentlich würde das Jugendamt sonst den gesetzlichen Vertreter machen, aber es könnte ja sein, daß die Eltern mit Maywald gut bekannt seien und sich das ausdrücklich gewünscht hätten.«
»Könnte sein«, meinte Toppe. »Weißt du, ob Schimmelpfennings mit Maywald befreundet sind?«
Astrid schüttelte den Kopf. »Danach habe ich nicht gefragt, aber den Eindruck hatte ich eigentlich nicht.«
»Ich bei den Kleins auch nicht«, sagte van Appeldorn.
»Gut.« Toppe faltete die Hände. »An INTERKIDS sind wir ja jetzt sowieso dran.«
»Da ist noch was«, fuhr Heinrichs fort. »Es hat zwar eigentlich nicht direkt was mit uns zu tun, aber interessant finde ich es trotzdem. In der MEILE, diesem Mutterverein von INTERKIDS, haben die wohl im Moment unheimlichen Zoff.
Letzten Samstag war so ein komischer Leserbrief in der Zeitung.« Er las Heiderose Jansens Epistel vor.
»Könnte ja irgendwas dran sein, oder? Das mit den Gewinnen von INTERKIDS, meine ich.«
»Am besten hätte ich wohl auch gleich deren ganze Buchführung mitgebracht«, meinte van Appeldorn.
»Ja, vielleicht sollten wir die Bücher wirklich prüfen. Heute steht übrigens eine Gegendarstellung von einer gewissen Frau Salzmann-Unkrig drin. Aber das ist nur hochnäsiges Geschwafel.«
Astrid und van Appeldorn machten sich auf den Weg, ihr heutiges Pensum an Familienbesuchen hinter sich zu bringen, nur Toppe blieb sitzen. Er mußte einfach mit jemandem über Christian reden, und Heinrichs war ein guter Zuhörer, das wußte er. Vor allem kam er einem nie mit irgendwelchen Patentrezepten oder überzogenem Mitleid. Auch heute hörte er erst mal aufmerksam zu.
»Ganz schön vertrackt«, meinte er dann. »Aber ich
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