Feine Milde
unterdrückte ein Seufzen. Wenn es stimmte, was Maywald gesagt hatte, dann hatte seine Frau bis heute nicht einmal etwas von seinen Schulden gewußt, geschweige denn von allem anderen.
Als van Appeldorn sich vorstellte, stand die Frau auf, nahm das Kind an die Hand und zog es mit.
»Nein«, rief van Appeldorn, »bleiben Sie bitte hier, Frau Maywald.«
Sie blieb steif stehen. »Aber das Kind kann doch gehen?«
Ihre Stimme war trocken. »Lauf in den Garten, Sabine, geh ein bißchen schaukeln«, flüsterte sie.
Astrid wartete, bis die Tür sich hinter dem Mädchen geschlossen hatte. »Herr Maywald, wo waren Sie am Sonntag morgen zwischen vier und sechs Uhr?«
Er stierte sie an, vollkommen perplex. »Ich war im Bett.«
Aber dann begriff er, warum sie fragte, und seine ganze mühsam unterdrückte Wut entlud sich in einem wilden Gebrüll. Sie konnten ihn kaum verstehen, nur Bruchstücke wie »Leben ruiniert«, »meine Familie«, »mir nicht anhängen«, wüste Beschimpfungen.
Van Appeldorn trat auf ihn zu, ganz nah. »Es reicht«, sagte er, nicht einmal besonders laut.
Maywald schwieg, sah auf van Appeldorns Schuhe.
»Haben Sie ein gemeinsames Schlafzimmer, Frau Maywald?« fragte Astrid.
»Ja.«
»Kann ich es sehen?«
»Ja.«
Die Frau wußte ganz offensichtlich nicht, warum sie danach fragten. Sie ging voraus durch die Diele und öffnete eine Tür. Im Schlafzimmer war es kühl und dämmerig; die Rolladen waren halb geschlossen, um die Nachmittagssonne auszusperren; ein Kleiderschrank, eine Kommode, ein Doppelbett.
»Hat Ihr Mann die Nacht von Samstag auf Sonntag hier mit Ihnen im Bett verbracht?«
»Ja.«
»Die ganze Nacht?«
»Ja.« Man konnte das Fragezeichen hören.
»Hätten Sie es denn gemerkt, wenn er aufgestanden wäre?«
Maywald stand neben van Appeldorn im Türrahmen.
»Natürlich hätte ich das gemerkt. Warum sollte er aufstehen?« Sie sah Astrid an, die Pupillen weit in dem Schummerlicht. »Ich verstehe das alles nicht.« Sie schlug die Hände vors Gesicht. »Ich kann es nicht glauben. Diese Kinder, sie waren noch so klein, und sie sind so jämmerlich.« Sie brach schluchzend ab.
»Aber ich habe keine Schuld!« schrie Maywald.
»Und ich habe keinen Durchsuchungsbeschluß«, meinte van Appeldorn kühl. »Können wir uns trotzdem ein wenig umsehen?«
»Sehen Sie sich um«, sagte Maywald. »Sehen Sie sich um, bis Ihnen die Augen aus dem Kopf fallen, aber lassen Sie uns endlich in Ruhe.«
Van Appeldorn ging in den Keller – Gasheizung, kein Öl – schaute in jeden Raum, jedes Regal, jeden Schrank, dann in die Abstellkammer neben der Küche. Auch unter der Spüle, im Topfschrank, nichts.
Astrid ließ sich die Garage aufschließen. Der BMW war ein Benziner und das einzige Auto der Familie. An der Rückwand der Garage ein offenes Regal mit Farbeimern und Lackdosen, Autowaschzeug. Sie entdeckte eine Büchse Pinselklar. War das Nitroverdünnung? Aus dem Handschuhfach in van Appeldorns Wagen holte sie einen Plastikbeutel, packte die Dose vorsichtig ein und nahm sie mit.
Heinrichs sah ganz zufrieden aus, als Toppe ins Präsidium zurückkam. »Du bist früher, als ich dachte. Was ist denn nun mit dem Exmann?«
Toppe hängte seine Jacke über die Stuhllehne. »Er hat kein Alibi. Er hat ein wunderbares Motiv. Aber er war es trotzdem nicht, wenn du mich fragst. Was hast du rausgefunden?«
Bei Bärbel Peters, die er aus dem Unterricht hatte holen lassen, hatte Heinrichs kein Glück gehabt. Sie wußte angeblich nicht, daß jemand bei Heidi Jansen hatte einziehen wollen, versprach aber, sich im Verein und auch sonst umzuhören.
»Ich habe den Namen des Mannes aber trotzdem rausgekriegt«, rieb Heinrichs sich die Hände. »Durch Zufall.«
Er hatte mit Heiderose Jansens Eltern telefoniert und auch mit Kassandra gesprochen. »Ein ganz vernünftiges Kind. Wie alt ist die, hast du gesagt?«
»Zehn, glaube ich.«
»Redet wie eine Dreißigjährige. Der Mann heißt Martin Klinger, wohnt auf der Horionstraße in Hau. Er ist verheiratet und hat vier Kinder. Kassandra sagt, sie kennt ihn schon seit Ewigkeiten, weil nämlich das Ehepaar Klinger mit der Jansen befreundet war, und auch die Kinder haben oft miteinander gespielt. Im letzten Sommer waren sie sogar zusammen im Urlaub auf Ameland. Ich habe den Mann herbestellt, müßte eigentlich schon hier sein. Ich wußte ja nicht, wann du zurück bist, und da hätte ich ja schon mal mit ihm sprechen können.«
»Hat der sich nicht gewundert?«
»Ich habe nur
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