Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 1
empfand einen Augenblick der Sehnsucht, aber er sagte
nichts und ließ sich von der jungen Frau den Rücken einseifen. Remarga bildete seine Leute gut aus: sie würde kein Wort
sprechen, bevor er sie ansprach. Es gab Kunden, die Schäkern
und Kokettieren erwarteten, und einige wünschten auch persönlichere Dienste, die gegen einen gewissen Aufpreis arrangiert werden konnten, der einen kleinen Privatraum auf der
Rückseite des Gebäudes einschloss. Andere zogen Ruhe und
Frieden vor und wollten nichts weiter, als ihre Gedanken für
sich zu behalten, während sie badeten.
Tal erhob sich, und das Mädchen hörte auf, seinen Rücken
und die Schultern zu waschen, und fing mit der Brust an. Tal
nahm ihr sanft die Seife ab und schickte sie weg, bevor er die
Arbeit selbst beendete. Er wusste, wenn er das nicht getan
hätte, hätte sie jeden Zoll seines Körpers gewaschen, aber er
hatte andere Dinge im Kopf, als mit einem Bademädchen zu
spielen, und außerdem sollte er sich seine Energie für Melinda
aufheben, die nach dem Abendessen mehr als bereit sein würde, seine Begierde zu befriedigen.
Tal griff nach einem weiteren Eimer und spülte die Seife
ab, dann ging er ins Nebenzimmer, das voller Dampf war. Das
Bad war sehr heiß, und Tal stieg langsam hinein und spürte,
wie sich seine Haare am Nacken und an den Armen sträubten,
als er sich zum tieferen Ende des Beckens begab, wo er auf
einer Unterwasserbank sitzen und sich gegen den Beckenrand
lehnen konnte.
Eine rundliche Frau mittleren Alters kam herein, reichte
einem Diener das Handtuch und ging ebenfalls ins Wasser.
Tal war, seit Robert ihn gerettet hatte, weit genug herumgekommen, um inzwischen ein wenig mehr darüber zu wissen,
wie unterschiedlich verschiedene Völker Nacktheit betrachteten, aber Roldem kam ihm immer noch seltsam vor. Die Frauenmode war recht konservativ, wenn man von besonders festlichen Gelegenheiten einmal absah, bei denen die Damen
Gewänder trugen, die offenherzig bis zur Schamlosigkeit waren. Die Gräfin Amandi war in der vergangenen Woche bei
Baron Gruders Gala in einem kunstvollen keshianischen Gewand erschienen, das ihre Brüste nicht bedeckt hatte, wofür
sie aber mit Hilfe eines komplizieren Perlenhalsschmucks, der
ihr bis auf die Brust hing, einen gewissen Ausgleich geschaffen hatte. Die sich ständig bewegenden Perlen hatten, um es
einmal höflich auszudrücken, eine große Attraktion dargestellt. Bei festlichen Gelegenheiten waren solch tiefe Ausschnitte vorn und hinten durchaus normal, auch für Frauen,
die sich tagsüber nur vom Hals bis zu den Fußknöcheln eingehüllt durch die Straßen bewegten. Und noch seltsamer fand
Tal, dass sich Männer und Frauen zwar in getrennten Räumen
umzogen, aber gemeinsam badeten. Talon nahm an, dass irgendwann in der roldemischen Geschichte eine wichtige Persönlichkeit festgelegt hatte, dass Nacktheit in Ordnung war,
Anziehen und Ausziehen in Gegenwart von Angehörigen des
anderen Geschlechts jedoch unmoralisch.
Talon musste darüber leise lachen, was ihm einen fragenden
Blick von der Matrone einbrachte. Er lächelte sie an und sagte:
»Ich habe mich nur gerade an einen Scherz erinnert, Mylady«
Sie nickte, aber sie schien nicht sonderlich überzeugt zu sein.
Talon spürte, wie er sich entspannte, und seine Gedanken
begannen abzuschweifen. Falls er hier eindöste, würden die
Diener schon auf seine Sachen aufpassen, und da ernsthaft
betrunkene Kunden bei Remarga nicht unbedingt selten waren, wusste er, dass er hier auch davor bewahrt werden würde,
vornüber ins Wasser zu fallen und zu ertrinken.
Pasko würde verhindern, dass er zu lange hier blieb, und er
würde bald schon mit der Kleidung eintreffen, die er für diesen Abend ausgewählt hatte. Also döste Tal in einem warmen
Nebel des Wohlgefühls vor sich hin, und die Traurigkeit, die
er zuvor empfunden hatte, verging schnell.
Sven erschien kurze Zeit später und sagte: »Salmina hat
jetzt Zeit für Euch, Mylord.«
Tal stieg aus dem Wasser, und einer der Jungen reichte ihm
ein großes Handtuch. Er folgte Sven in ein kleines Zimmer,
das durch einen Vorhang vom Umkleideraum abgetrennt war.
Salmina stammte aus Rodez und war beinahe so groß wie der
sechs Fuß und einen Zoll messende Tal. Sie war stark und
hatte kräftige Hände, war aber dennoch schlank. Tal wusste
aus eigener Erfahrung, dass ihr Körper unter dem kurzen
Hemd muskulös und biegsam war.
Sobald Sven gegangen war und den Vorhang zugezogen
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