Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 1
hatte, zog Salmina das Hemd aus und fing an, sich die Hände
mit Duftöl einzureiben. »Vollständige Massage, Mylord?«,
fragte sie spielerisch.
Tal legte sich auf den Bauch, das Kinn auf die Arme gestützt, und sagte: »Heute nicht, meine Liebe. Ich muss meine
Energie für eine andere aufsparen.«
Sie rieb sein nacktes Hinterteil mit Duftöl ein und versetzte
ihm einen leichten Klaps, gerade fest genug, um ihm klar zu
machen, dass sie mit dieser Antwort nicht so recht zufrieden
war. Sie war zwar schon über vierzig, aber immer noch eine
hinreißende Frau, und Jahre der Erfahrung hatten sie zu einer
sehr geschickten Geliebten gemacht. Nach seiner ersten »vollständigen« Massage hatte Tal das Badehaus mit zitternden
Knien verlassen.
»Ein Löwe wie Ihr wäre doch bestimmt im Stande, erst
mich zum Lächeln zu bringen und danach noch für ein halbes
Dutzend anderer Damen bereit zu sein.«
Talon musste lachen. »Salmina, wenn du mit mir fertig
bist, kann ich mich auf dem Heimweg immer kaum an meinen
Namen erinnern.«
»Ich bin stolz darauf, gute Arbeit zu leisten.«
»Das solltest du auch«, sagte er mit echter Zuneigung.
»Wer ist denn die Glückliche?«, fragte sie und begann, seine Schultern zu kneten.
»Könnte ich mich denn einen Mann von Welt nennen,
wenn ich den Namen der Dame verriete?«
»Viele tun das, aber ich nehme an, Ihr seid ein wenig diskreter als die meisten.«
»Danke.«
Wie immer schnalzte sie missbilligend, als sie mit den Fingern über Talons viele Narben fuhr. »So jung, und schon so
viele Wunden«, stellte sie nicht zum ersten Mal fest. »Und,
seid Ihr bereit für das Turnier?«
Er seufzte, als sie anfing, an seinem Nacken zu arbeiten.
»Wenn ich das nicht bin, werde ich es bald wissen.«
Sie lachte leise. »Mag sein.«
Sie unterhielten sich weiter, dann drehte sich Salmina um,
um eine andere Ölphiole von einem Tisch an der Wand zu
nehmen.
Plötzlich durchzuckte Talon eine Vorahnung von Gefahr,
und er ließ sich nach rechts fallen.
Schmerz explodierte in seinem linken Arm, als eine Klinge
die Haut von der Schulter bis zum Ellbogen aufschlitzte. Er
rollte sich vom Tisch, kam geduckt auf dem Boden auf und
ignorierte den brennenden Schmerz.
Salmina stand hoch aufgerichtet da, eine Hand fest gegen
die Wand gedrückt. Sie starrte verwirrt ins Leere, während sie
die rechte Hand hob und irgendwie versuchte, damit das Blut
aufzuhalten, das ihr aus der rechten Seite des Halses floss.
Einen grotesken Augenblick lang schien sie wegen des scharlachroten Flusses, der zwischen ihren Brüsten zu ihrem Bauch
lief, peinlich berührt zu sein, als wäre das für eine Frau von
ihrer Schönheit einfach nicht angemessen. Dann verdrehte sie
die Augen und brach zusammen.
Der Mann war der gleiche, der Talon zuvor gefolgt war,
und er trug eine tödliche Klinge, schlank und scharf wie ein
Rasiermesser. An seinen Bewegungen und seiner schnellen
Reaktion auf Tals Ausweichen war deutlich zu erkennen, dass
er ein Meister seines Faches war. Außerdem hatte er nicht
versucht, Tal zu folgen, als der sich vom Tisch gerollt hatte,
sondern hatte sich in die Gegenrichtung bewegt und sich zwischen sein Opfer und den Vorhang gestellt.
Tal wusste, dass der Mann weniger als eine Minute hatte,
um ihn zu töten, denn er musste damit rechnen, dass Tal
schreien und jemand kommen würde, um nachzusehen. Der
Mann würde sofort zuschlagen müssen.
Tal war schneller. Der Attentäter hatte vielleicht erwartet,
dass Tal sich zurückzog, um ein wenig mehr Platz zu haben,
um dann auf den Vorhang zuzueilen, aber stattdessen packte
Tal mit beiden Händen den Tisch und kippte ihn um. Das
konnte dem Attentäter eigentlich nicht gefährlich werden,
aber er machte unwillkürlich einen Schritt zurück, um nicht
getroffen zu werden, und das war genau, was Tal erwartet
hatte.
Tal sprang über den umgekippten Tisch und ignorierte die
Klinge. Er hatte bereits eine frische Schnittwunde, von den
alten Narben nicht zu reden, also würde eine weitere nicht
zählen, solange er nur am Leben blieb.
Der Attentäter zielte auf Tals Kehle, und Tal duckte sich
unter der Klinge hinweg und trieb dem Mann die Schulter in
den Magen. Wie er schon befürchtet hatte, riss ihm die Klinge
daraufhin den Rücken auf, und Schmerzen wie von glühenden
Kohlen breiteten sich aus, aber immerhin hatte sein Gegner
ihn nicht im Nacken getroffen, wo er am verwundbarsten war.
Er drückte fest zu, rollte sich ab und verteilte sein Blut auf
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