Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 1
Leutnant an. Kennt Ihr einander?«
»Nein«, log Tal. »Ich glaubte einen Moment, ihn zu erkennen, aber ich habe mich geirrt.« Dann zwang er sich zu einem
höflichen Lächeln und erklärte: »Es ist eine Ehre, Euch kennen zu lernen, Herzog Kaspar.«
Tal gestattete dem Herzog, das Gespräch an sich zu reißen,
und hielt sich im Hintergrund. Er brauchte all seine Selbstbeherrschung, um die Form zu wahren, denn er hatte Leutnant
Campaneal tatsächlich schon einmal gesehen. Er war der
Mann gewesen, der die Befehle von Hauptmann Quint Havrevrulen entgegengenommen hatte. Leutnant Campaneal hatte
zu den Männern gehört, die Tals Volk umgebracht hatten. Er
gehörte zu den Personen, die Tal zu töten geschworen hatte.
Sechzehn
Turnier
Tal jubelte.
Das Turnier der Meister hatte endlich begonnen, und zu
seiner Freude entdeckte Tal, dass sein überwältigender Erfolg
am Hof der Meister im letzten Jahr dazu geführt hatte, dass
man ihn ohne Vorentscheidungskämpfe zugelassen hatte.
Über vierhundert Schwertkämpfer waren nach Roldem gekommen, um das goldene Schwert und den Titel des besten
Schwertkämpfers der Welt zu gewinnen. Die besten zweiunddreißig – entweder dem Ruf oder ihrer Stellung am Hof der
Meister nach – durften die erste Runde des Wettbewerbs aussitzen. Diese zweiunddreißig Männer waren vom Hof der
Meister noch nicht nach Rängen sortiert worden, aber die
Buchmacher, die Wetten entgegennahmen, hatten ihre eigene
Rangordnung produziert. Auf den meisten Listen hatte Tal
mindestens den dritten Rang inne, auf vielen war er sogar der
Favorit. Außer Tal war nur ein einziger Mann, der legendäre
Versi Dango selbst, in einem Jahr von Übungskämpfen am
Hof der Meister unbesiegt geblieben. Sollte Tal das Turnier
dreimal gewinnen, würde vielleicht noch eine weitere Statue
im Vorraum des Hofs der Meister aufgestellt werden.
Man gab Tal einen besonderen Platz in der Hauptgalerie,
einem Bereich im oberen Stockwerk, mit Plätzen für die
zweiunddreißig auserwählten Kämpfer und ihre Freunde,
Diener und Begleiter. Im Augenblick saßen oder standen
mehr als siebzig Personen dort, beobachteten das Geschehen
und ließen sich von aufmerksamen Dienern Erfrischungen
reichen.
Tal saß neben Pasko. »Ist das nicht Kendrick, der da in der
Ecke im Schatten steht?«, fragte er.
»Ja, Mylord.«
»Kämpft er beim Turnier mit?«
»Nein, er ist nicht eitel genug, um sehen zu wollen, ob er
der Beste ist«, erklärte Pasko trocken, dann fügte er noch ein
»Mylord« hinzu.
»Was will er dann hier?«
»Auf dich aufpassen«, sagte Caleb und setzte sich neben
Talon.
»Ihr beide?«
»Und Magnus, der sich hier nicht sehen lassen will, sich
aber ganz in der Nähe aufhält«, erklärte Pugs jüngerer Sohn.
Tal grinste. »Caleb, ich hätte nie gedacht, dich je so modisch gekleidet zu sehen.«
Caleb erwiderte das Lächeln, obwohl er keineswegs so
amüsiert war wie Tal. »Tarnung«, erklärte er. Er sah aus wie
ein wohlhabender Kaufmann oder ein Mann aus dem niederen
Adel des Königreichs. Das Einzige, was Talon an seiner
Aufmachung wieder erkannte, war sein Schwert, das unverändert war. Davon einmal abgesehen, war er von Kopf bis
Fuß in die neueste Mode gehüllt, obwohl er sich erheblich
weniger extravagant gekleidet hatte als die meisten Turnierbesucher in Roldem, denn er trug eine dunkelbraune Jacke, ein
hellgelbes Hemd, eine schwarze Hose und Stiefel. Statt der
bunteren Hüte, die die Dandys der Stadt bevorzugten, hatte
sich Caleb für ein schlichtes schwarzes Barett mit einer goldenen Schnalle und einer einzelnen Falkenfeder entschieden.
Tal lachte. »Wahrhaftig, du siehst aus wie ein Adliger aus
dem Königreich.«
Caleb fragte: »Bist du bei der Gala des Königs vor zwei
Tagen dem Herzog von Olasko begegnet?«
Tals Miene verfinsterte sich, und er beugte sich vor und stützte die Ellbogen auf die Knie. Er senkte die Stimme, so dass nur
Caleb ihn hören konnte. »Ja, und er war nicht allein. Einen
seiner Begleiter habe ich sofort erkannt: einen Leutnant namens
Campaneal. Er hat die Soldaten aus Olasko angeführt, die Raven und seinen Mördern halfen, mein Volk zu vernichten.«
»Das weiß ich. Er wird am Turnier teilnehmen. Er ist einer
der zweiunddreißig, also besteht durchaus die Möglichkeit,
dass du ihm gegenüberstehen wirst.«
»Ich würde ihn lieber irgendwo treffen, wo es nicht so viele Zuschauer gibt«, erwiderte Tal.
»Es ist bei diesem Turnier schon öfter zu Unfällen gekommen. Auch zu tödlichen
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