Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 1
keine Ahnung, wieso er dort eine Armee haben will, aber diverse Theorien. Wir sollten uns die
Spekulationen lieber für später aufheben, aber so viel wissen
wir sicher: Herzog Kaspar von Olasko stellt derzeit vielleicht
die größte Gefahr dar, wenn es um den Frieden in dieser Gegend geht. Er will unbedingt seine Nachbarn im Osten beherrschen, und wir befürchten, dass er eine Möglichkeit sucht,
Roldem in einen Krieg mit dem Königreich zu verwickeln.«
»Ah«, sagte Tal. »Und wenn Roldem einen Krieg mit dem
Königreich anfängt, wird sich auch Kesh einmischen.«
»Und ein regionaler Konflikt würde sich in einen viel größeren Krieg verwandeln, der sowohl den Ost- als auch den
Westteil des Königreichs umfasst.«
»Ich habe inzwischen einiges gelesen, auch über Ehrgeiz«,
erklärte Tal, »aber es kommt mir so vor, als übernähme sich
Kaspar da ganz gewaltig.«
Robert sagte: »Er wäre nicht der erste Herrscher, der sich
aus den Schwierigkeiten anderer einen Vorteil verschafft. Die
Grenzlords könnte er einen nach dem anderen schlucken. An
den wilden Völkern im Norden hat er allerdings kein Interesse, oder bestenfalls irgendwann in der Zukunft. Nein, im Augenblick geht es ihm darum, seinen Zugriff auf Farinda zu
sichern und den Krieg mit dem Königreich vorzubereiten.
Also muss er als Erstes Farinda unterwerfen. Und um das ungehindert tun zu können, muss er die Orodon, Latagore und
Hohenwald neutralisieren.«
Tal zog die Brauen hoch. »Darin besteht also das Muster!
Erst vernichtet er mein Volk und sichert sich damit den Weg
nach Farinda. Nun schützt er seine rechte Flanke, indem er
dafür sorgt, dass Farinda keine Hilfe durch Hohenwald oder
aus Latagore erhalten kann.«
»Genau. Alles überwiegend für den Fall, dass das Königreich sich früh einmischen sollte – und wenn König Ryan
tatsächlich so klug ist, wie alle behaupten, wird er reagieren,
sobald er die Gefahr erkennt. Er kann Olasko nicht direkt angreifen, ohne Aranor und Roldem in den Krieg einzubeziehen,
aber er kann zum Beispiel Söldner anheuern und sie per
Schiff nach Küstenwacht und von dort nach Latagore und
Hohenwald bringen. Kaspar kann es sich nicht leisten, eine
Armee im Rücken zu haben.«
»Wenn Herzog Kaspar ein solches Problem darstellt, warum
hat sich dann noch niemand um ihn gekümmert?«, fragte Tal.
Robert warf einen Blick zu Magnus, und der weißhaarige
Magier sagte: »Ich könnte Kaspar heute Abend eine Feuerkugel in den Schoß werfen, aber selbst wenn das den König,
seine Familie und den halben Adel von Roldem umbringt,
wird Kaspar immer noch unversehrt aus der Asche aufsteigen.
Dieser Mann in seinem Gefolge, von dem wir zuvor gesprochen haben, ist sehr mächtig, und Kaspar verfügt über mehr
Schutzzauber als jeder andere auf der Welt. Seine Leibwachen
sind fanatisch, und er ist niemals unbewacht. Es wird schwierig sein, ihn umzubringen.«
»Soll das also meine Aufgabe sein?«
»Vielleicht«, erwiderte Robert. »Das wissen wir noch
nicht. Wenn du das Turnier gewinnst, besteht eine gute Möglichkeit, dass sich Kaspar für dich interessieren wird. Er umgibt sich gerne mit begabten Leuten, seien es nun Musiker,
Sänger, Maler, Köche, Magier oder Schwertkämpfer.«
»Nun denn«, sagte Tal. »Jetzt verstehe ich, wieso es für
Euch so wichtig ist, dass ich diesen Wettbewerb gewinne. Es
scheint, dass uns allen gedient wäre, wenn Kaspar von Olasko
stirbt.«
Robert lehnte sich zurück und blickte seinen ehemaligen
Schüler direkt an. »Ja, so sieht es aus, nicht wahr?«
»Dann habe ich eine einzige Bedingung«, sagte Tal grimmig. »Kaspar stirbt als Letzter.«
»Warum?«, fragte Magnus.
»Weil ich aus allem, was ihr sagt, schließen kann, dass ich
wahrscheinlich getötet werde, wenn ich ihn umbringe, und
wenn ich dabei versagen sollte, mein Volk zu rächen, ist es
mir Heber, wenn nur noch ein Einziger dieser Mörder am Leben bleibt als ein Dutzend. Kaspar stirbt nach Raven und seinen Männern, aber als Erster ist Leutnant Campaneal dran.«
Tal schaute Robert, Magnus, Caleb und Pasko der Reihe nach
an, dann erklärte er entschlossen: »Campaneal wird das Turnier nicht überleben.«
Die ersten Runden boten wenig Überraschungen, wenn man
einmal von der Tatsache absah, dass sich ein Mann hervortat,
von dem man zuvor nie etwas gehört hatte: Ein junger Gemeiner aus Kesh namens Kakama wurde schnell mit jedem
Gegner fertig, den man ihm gegenüberstellte. Zuschauer, die
gerne riskante Wetten
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