Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 1
gekommen.«
Tal versuchte auf dem Weg zum Kampfplatz tief und
gleichmäßig zu atmen.
Sie traten zu lautem Applaus ein, und jeder Mann wurde zu
seiner Ecke des Raums geführt. Man hatte an den Ecken des
größten Rechtecks auf dem Boden Markierungen angebracht,
also wusste Tal, dass sie für ihren Kampf viel Platz haben
würden.
Als der Lärm nachließ, erhob der zuständige Meister die
Stimme. »Meine Damen und Herren, dies ist der letzte Kampf
des Turniers, der hier im Hof der Meister stattfinden wird.
Der Sieger bei diesem Kampf wird heute Abend im Palast um
das Goldene Schwert und den Titel des besten Schwertkämpfers der Welt kämpfen. Zu meiner Linken seht Ihr Kakama
aus dem Dorf Li-Pe im Kaiserreich von Groß-Kesh.«
Der Applaus war dröhnend, denn ein Teilnehmer, der sich
vollkommen überraschend seinen Weg von der ersten Runde
bis zur letzten erkämpft Hatte, war beim Publikum meistens
beliebt.
»Und zu meiner Rechten Talwin Hawkins aus dem Königreich, Junker von Wildenhag und Klingenburg, Erbbaron von
Silbersee.«
Er bedeutete den beiden Männern, zu den Markierungen zu
kommen, die ihre Anfangspositionen kennzeichneten. Dann
sagte er: »Mylord, Meister Kakama, das hier ist ein Kampf bis
zum ersten Blut. Gehorcht den Anweisungen der Meister und
verteidigt Euch gut. Auf mein Kommando … los!«
Tal sah, wie Kakama einen einzelnen Schritt zurückmachte
und das Schwert mit der rechten Hand hob, die Linke ausgestreckt, die Handfläche nach oben. Dann machte er plötzlich
einen Ausfall nach vorn, bei dem er sich drehte – ganz ähnlich
wie es Nakor bei seinen Tritten getan hatte – und die linke
Hand zur rechten hochzog, und das Schwert raste mit unglaublicher Geschwindigkeit in einem Bogen auf Tals Kopf
zu.
Tal duckte und überschlug sich – ein Manöver, wie man es
beim Turnier bisher noch nicht gesehen hatte, das aber bei
Kneipenschlägereien nicht ungewöhnlich war. Ein paar Zuschauer spotteten und lachten, aber die meisten jubelten, denn
es war klar, dass der Keshianer vorgehabt hatte, Tal den Kopf
abzuschlagen.
»Kakama!«, rief der Meister des Hofs. »Nur bis zum ersten
Blut!«
Der Keshianer ignorierte das vollkommen und eilte mit
drei kurzen Schritten auf Tal zu. Tal wich nicht zurück, sondern sprang selbst vorwärts und riss die eigene Klinge so
schnell er konnte herum.
Stahl klirrte auf Stahl, und die Menge keuchte, denn selbst
die Trägsten hatten nun erkannt, dass sie inzwischen keinen
Schaukampf mehr sahen – hier versuchten zwei Männer, einander umzubringen.
»Halt!«, befahl der oberste Kampfrichter, aber die Männer
hörten nicht auf ihn. Kakama wirbelte abermals herum und
führte ein Manöver aus, das Tal den Bauch aufgeschlitzt hätte,
wenn er tatsächlich dem Befehl des Kampfrichters Folge geleistet und innegehalten hätte.
Tal schrie: »Pasko, Dolch!«
Pasko zog den Dolch aus dem Gürtel, und als Kakama
abermals angriff und Tal auswich, warf Pasko seinem Herrn
den Dolch zu. Tal fing ihn mit der Linken auf und wirbelte
abermals herum, um Kakamas nächsten Angriff abzufangen.
Der Kampfstil des Keshianers war Tal fremd, aber er hoffte, dass der Duelldolch in der linken Hand, mit dem er die
Klinge des Gegners abwehren konnte, das ein wenig ausgleichen würde.
Die Kampfrichter riefen zur Galerie hinauf nach Männern,
die die beiden Teilnehmer aufhalten sollten, die nun eindeutig
über alle Regeln hinausgegangen waren, aber niemand regte
sich. Der Gedanke, sich zwischen zwei der tödlichsten Kämpfer auf der Insel zu stellen, behagte keinem der Anwesenden.
Tal glaubte zu hören, wie jemand nach Armbrüsten rief,
aber er konnte keine Aufmerksamkeit darauf verwenden. Kakama bedrängte ihn hart, und Tal war der Platz zum Ausweichen ausgegangen.
Tatsächlich gelang es ihm nur mit Hilfe des Dolchs, sein
Leben zu retten, denn Kakama drehte plötzlich leicht die
Handgelenke und riss damit sein ursprünglich von oben nach
unten geführtes Schwert seitlich gegen Tals Hals. Tal hob im
Reflex die Hand und konnte die Klinge gerade noch genug
abfangen. Das gab ihm selbst eine Gelegenheit, und er stieß
mit dem Schwert zu und erwischte den Keshianer an der
Schulter.
Einer der Kampfrichter rief: »Erstes Blut!«, aber Kakama
ignorierte den Mann einfach und griff erneut an.
Tal wich zurück, als versuche er, Abstand zu gewinnen,
dann blieb er plötzlich stehen und warf den Dolch aus Brusthöhe so fest er konnte nach Kakamas Bauch.
Der Keshianer drehte sein Schwert,
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