Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 1
das er immer noch mit
beiden Händen gepackt hatte, und schlug den Dolch damit
weg, aber diese Abwehr kostete ihn Zeit, und Tal bedrängte
ihn weiterhin hart. Als Kakama versuchte, die Waffe zu heben, um den zweiten Schlag abzuwehren, war Tal bereits innerhalb seiner Deckung, und seine Klinge grub sich tief in den
Hals des Keshianers.
Tal wich nicht zurück, denn er wollte nicht riskieren, von
einem letzten Schlag des Sterbenden getroffen zu werden;
dann stieß er abermals fest zu. Der Keshianer sackte nach
hinten, und die Waffe fiel ihm aus der Hand. Blut schoss aus
der Wunde an seinem Hals.
Tal kniete sich neben den Sterbenden und sah ihm in die
Augen. »Wer hat dich geschickt?«, fragte er, aber der Keshianer schwieg.
Pasko eilte zu Tal. In der Halle herrschte Totenstille. Niemand schien bereit, dem Sieger zu applaudieren, denn es war
klar, dass dieser Kampf nichts mit Sport zu tun gehabt hatte.
Der Kampfrichter kam auf die beiden zu und erklärte: »Es
ist eindeutig, dass Ihr Euch nur verteidigt habt, Junker Talwin,
also werdet Ihr nicht disqualifiziert, weil Ihr nicht innegehalten habt, als ich es befohlen habe.«
Tal blickte auf, dann erhob er sich und sagte mit einem bitteren Lachen: »Ja, wir dürfen dem König auf keinen Fall sein
Fest verderben.«
Der Meister schaute Tal an, antwortete aber nicht. Schließlich sagte er: »Seid bei Sonnenuntergang vor dem Palast, Junker Talwin.«
Die Menschen verharrten unsicher auf der Galerie, als
wollten sie nicht gehen, bevor ihnen jemand erklärte, was
geschehen war. Schließlich erschienen Diener und brachten
die Leiche weg, während andere das Blut vom Boden wischten.
Tal wandte sich Pasko zu. »Ich brauche ein Bad.«
»Und wir brauchen ein paar Antworten«, erwiderte Pasko.
Tal nickte. Pasko legte ihm einen Umhang um die Schultern und nahm ihm das Schwert ab. »Ich weiß, wen ich umbringen will, aber nun muss ich mich fragen, wer es auf mich
abgesehen hat.«
»Und warum«, fügte Pasko finster hinzu.
Siebzehn
Ziel
Tal wartete.
Die Meister des Hofs, der Zeremonienmeister aus dem Palast und der Hauptmann der königlichen Wache hatten sich
um Tal und Leutnant Campaneal versammelt. Um sie herum
stand ein weiteres halbes Dutzend königlicher Offiziere.
Meister Dubkov vom Hof der Meister ging aufgeregt auf
und ab. »So etwas ist in all den zweihundert Jahren, in denen
diese Turniere veranstaltet wurden, noch nie geschehen. Es
hat Unfälle gegeben, und zwei Männer sind dabei umgekommen, aber niemals hat ein Teilnehmer des Turniers einen
kaltblütigen Mordversuch unternommen. Er muss doch gewusst haben, dass es nicht einmal eine Möglichkeit zur
Flucht gab.«
Tal hatte sich ebenfalls bereits darüber gewundert, wie
vollkommen gleichgültig dem Keshianer sein Schicksal gewesen sein musste.
»Was uns beunruhigt«, erklärte der Hauptmann der Wache,
ein hagerer Mann namens Talinko, »sind die möglichen Konsequenzen, falls es anders ausgegangen wäre und dieser
Kampf hier im Palast stattgefunden hätte.«
Leutnant Campaneal sagte: »Meine Herren, ich habe das
Gleiche gesehen wie Ihr: Junker Talwin hat sich nur verteidigt
– und das sehr geschickt, wie ich gerne zugebe –, während der
andere Mann eindeutig vorhatte, ihn umzubringen. An Stelle
des Junkers hätte ich ebenso reagiert wie er.«
»Wir wollen nur dafür sorgen, dass so etwas nicht noch
einmal passiert, vor allem nicht in Gegenwart des Königs«,
erklärte Hauptmann Talinko entschlossen.
Leutnant Campaneal zuckte mit den Schultern. »Meine
Herren, ich diene Herzog Kaspar seit vielen Jahren, also bin
ich sicher, dass seine Empfehlung für mich sprechen wird,
und Junker Talwin lebt, wie man mir gesagt hat, schon seit
einiger Zeit in Roldem und ist regelmäßiger Besucher des
Hofs der Meister. Wenn man seine Stellung in dieser Gemeinde bedenkt, bestehen da irgendwelche Zweifel an seiner
Haltung?« Er warf Meister Dubkov einen Blick zu, der zustimmend nickte. »Ich denke, wir alle können dafür sorgen,
dass dieser Wettbewerb gerecht ausgetragen und entsprechend
den Regeln durchgeführt wird.«
Hauptmann Talinko nickte. »Davon gehen wir ebenfalls
aus, aber die Sicherheit der königlichen Familie steht an erster
Stelle, dicht gefolgt von der Sicherheit unserer verehrten Gäste.« Sein Nicken zu Campaneal machte deutlich, dass er vom
Herzog und von den anderen Würdenträgern sprach. »Also
werden wir Vorsichtsmaßnahmen treffen. In der Galerie über
der Halle werden
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