Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 1
seiner eigenen Sprache: »Ich möchte
mit den Orodon verhandeln.«
»Du sprichst die Sprache der Orosini«, sagte der Mann mit
schwerem Akzent. »Es ist eine Sprache, die ich nicht mehr
gehört habe, seit ich ein Junge war.«
»Ich bin Orosini.«
Der Mann lächelte. »Das bist du nicht. Du bist nicht tätowiert.«
»Ich bin Talon Silverhawk aus dem Dorf Kulaam, und ich
hieß als Junge einmal Kielianapuna. Mein Dorf wurde an
meinem Namenstag zerstört, als ich auf Shatana Higo auf
meine Namensvision wartete. Die, die mein Volk getötet haben, haben mich ebenfalls für tot gehalten und liegen lassen.
Ich bin der letzte Orosini.«
»Wer sind deine Verwandten?«
»Ich bin Sohn von Elk Call und Nightwind Wisper, Enkel
von Laughing Eyes. Mein Bruder war Sun Hand, und meine
Schwester hieß Miliana. Sie wurden alle getötet, und ich bin
hier, weil ich Rache suche.«
»Warum kommst du wegen der Rache hierher zu uns, Talon Silverhawk?«
»Männer werden kommen, um Eure Dörfer niederzubrennen, euch zu töten und eure Asche im Wind zu zerstreuen. Es
sind die gleichen, die auch die Orosini vernichtet haben.«
»Ich heiße Jasquenel«, sagte der Häuptling. »In unserer
Sprache heißt das Felsenbrecher. Wenn du ein Feind unserer
Feinde bist, bist du ein Freund und willkommen. Was ist mit
den anderen, die du in den Hügeln zurückgelassen hast?«
»Das sind meine Leute«, erklärte Tal. »Sie werden mir gehorchen und an der Seite deiner Krieger kämpfen. Ich habe
Waffen im Wagen, und ich habe auch Pioniere mitgebracht,
denn wenn wir die Eindringlinge abwehren und andere Dörfer
warnen können, können wir dein Volk retten.«
Der alte Mann nickte, dann stand er auf. »Du darfst das
Dorf betreten. Ich werde einen Mann ausschicken, der die
Händlersprache spricht, um deine Leute zu holen. Heute
Abend werden wir zusammen essen und besprechen, was zu
tun ist, wenn die Feinde kommen.«
Auch Tal erhob sich. Er streckte die Hand aus, und der
Orodon-Häuptling packte seinen Unterarm, wie es auch bei
den Orosini Brauch war. Jasquenel sagte: »Sei willkommen,
Talon Silverhawk.«
Tal lächelte. »Bei meinen Männern bin ich als Tal Hawkins bekannt. Sie wissen nicht, dass ich Orosini bin, und halten mich für einen Edelmann aus dem Königreich.«
»Dann werden wir dich ebenfalls Tal Hawkins nennen.
Komm. Gehen wir nach drinnen und reden mit den anderen
Männern aus dem Dorf.«
Tal folgte ihm und führte sein Pferd am Zügel. Als er
durch das Tor trat, zog sich sein Herz zusammen. Hier war
seinem Dorf alles so ähnlich, aber es war auch anders genug,
dass er wusste, dass es nicht sein Zuhause war.
Ein Zuhause würde es für ihn nie wieder geben.
Neunzehn
Verteidigung
Tal wartete.
Jasquenel stand neben ihm auf der Palisade und wartete mit
ihm darauf, dass Raven und seine Leute sich sehen ließen. Tal
ging ein weiteres Mal im Geist all die Dinge durch, die sie in
den letzten zehn Tagen erledigt hatten. Boten waren zu allen
Dörfern in der Nähe geschickt worden und hatten ihrerseits
weitere Boten in die Dörfer weiter im Norden geschickt.
Wenn Raven und seine Truppe an diesem Dorf hier – Queala
– vorbeikommen würden, würden sie in jeder weiteren Siedlung der Orodon ebenfalls auf Widerstand stoßen, bis man sie
schließlich wieder nach Süden treiben würde.
In den zehn Tagen, seit Tal mit seinen Leuten eingetroffen
war, hatten ihn Kummer und Sehnsucht immer wieder wie ein
plötzlicher stechender Schmerz überfallen, denn Queala hatte
ihn sehr an seine Kindheit erinnert. Die Orodon waren keine
Orosini, aber es war eindeutig, dass sie irgendwann einmal
eng verwandt gewesen waren, denn viele ihrer Bräuche waren
denen der Orosini ausgesprochen ähnlich. Es gab ein Langhaus, wo sich die Männer zu Beratungen versammelten, und
ein Rundhaus, wo die Frauen arbeiteten. Ihre Bekleidung und
die Bräuche waren denen von Talons Volk ebenfalls sehr ähnlich. Aber es gab auch Unterschiede, und häufig waren es
ebenso diese Unterschiede wie die Ähnlichkeiten, die ihn daran erinnerten, wie viel er verloren hatte.
Queala war größer, als Talons Heimatdorf gewesen war,
denn hier wohnten dreißig Familien, während Kulaam nur
zwölf beherbergt hatte. Es gab vier Gemeinschaftsgebäude,
das Langhaus der Männer, das Rundhaus der Frauen, eine
Gemeinschaftsküche und ein Badehaus. Dazu drängten sich
die kleineren Häuser innerhalb der Palisade, und nur in der
Mitte war ein kleiner Platz leer.
Tal schaute
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