Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 1
flog, schoss auch Tal. Ein Bogenschütze schrie auf.
Tal zog die nächsten Pfeile aus dem Köcher und schoss sie so
schnell wie möglich hintereinander ab. Fünf von Ravens Bogenschützen wurden verwundet oder getötet, bevor auch nur
genügend Pfeile die Ölbeutel am Tor trafen, um sie zu ent
zünden.
Wie Creed schon gesagt hatte, war das Zeug in den
Schläuchen am Tor ein widerliches, übel riechendes Öl, das
mit intensiver Hitze brannte. Schwarzer Rauch stieg auf und
drohte, Tal und die anderen auf dem Wall zu ersticken, aber
sie hielten stand. Tal blinzelte die Tränen weg, die der Rauch
verursachte, und wartete ab.
Das Tor brannte zehn Minuten lang, und Tal duckte sich
hinter den oberen Teil der Palisade. Er hörte Holz knacken,
während die Hitze in Wellen auf ihn eindrang, und er wusste,
dass das Tor bald nachgeben würde.
Augenblicke später war es tatsächlich eingestürzt. Von fern
hörte Tal einen Ruf, dann erklang das Donnern von Hufen, ab
hundert Reiter auf die erste Brücke zuritten.
Tal hob den Bogen. »Haltet euch bereit!«, befahl er, und er
wartete darauf, dass der erste Reiter in Schussweite kam.
Zwanzig
Schlacht
Tal zielte.
Der erste Reiter in Schussweite fiel rückwärts aus dem Sat
tel, als ein anderer Bogenschütze sein Ziel traf. Tal schoss
einen Augenblick später, und einer von Ravens Söldnern
schrie, als er ebenfalls aus dem Sattel flog.
Tal schrie den Jungen am Katapult zu: »Feuer!«
Die Jungen, die die Abzugsriemen hielten, rissen fest daran, und Steine, Töpfe und Möbelteile sausten auf den Feind
zu.
»Anzünden!«
Fackeln wurden in ölgetränkte Lappen gesteckt, sodass
schwarzer Qualm um die Katapulte her aufstieg, während die
Jungen zu den vorgesehenen Plätzen eilten. Die Älteren unter
ihnen griffen nach den Bögen und machten sich bereit, um auf
jeden Reiter zu schießen, der in Schussweite kam.
Tal wandte seine Aufmerksamkeit wieder den Angreifern
zu und ließ seine Pfeile von der Sehne schnellen. Er traf mindestens zwei weitere, bevor die Reiter den offenen Platz mitten im Dorf erreichten. Rauch vom Tor hing in der Luft, und
die Feuer von den Katapulten beleuchteten plötzlich den
Feind.
Tal rief einer Frau unten zu: »Sag den anderen, sie sollen
mit dem Schreien anfangen.«
Sie gehorchte, und sofort waren laute Entsetzensschreie zu
hören, die Frauen kreischten und jammerten, als würden ihre
Kinder vor ihren Augen niedergemetzelt.
Die Reiter, die durchs Tor gekommen waren, sahen sich
verwirrt um und wussten einen Augenblick nicht, was geschah. Sie konnten das Geschrei hören, aber es war keine Frau
in Sicht, und keine Männer griffen sie vom Boden aus an.
Stattdessen wurden sie von den Männern auf dem Wall mit
Pfeilen beschossen. Bald fielen die ersten Söldner.
»Absteigen!«, schrie ein Mann, sprang vom Pferd und
duckte sich hinter das Tier. »Sie sind oben auf dem Wall!« Er
zeigte nach oben.
Tal und die anderen schossen ihre Pfeile so schnell wie
möglich ab und sorgten dafür, dass die Reiter in Deckung
blieben. Auf Orodon schrie Tal: »Bleibt hier und schießt weiter!«
Er ignorierte die Leiter und sprang einfach aufs Dach des
nächst stehenden Hauses. Dann war er mit einem weiteren
Sprung am Giebel des Gebäudes und warf sich auf den nächsten Feind, der im Sattel geblieben war, riss den Mann herunter
und zog das Schwert, als er wieder auf die Beine kam. Der
Söldner hatte sein Schwert ebenfalls bereits gezogen, aber er
starb, bevor er auch nur wusste, wo sich sein Gegner befand.
Tal war nun inmitten einer Truppe von mehr als hundert
Männern, die alle versuchten, ihre Pferde zu beruhigen, die
vom Rauch, von den Schreien der Sterbenden und der Frauen
und den ununterbrochenen Geräuschen von Pfeilen, die auf
sie zurasten, vollkommen verängstigt waren. Hin und wieder
traf ein Pfeil ein Tier, und dann bäumte es sich auf oder trat
um sich, und dann gerieten die Pferde in der Nähe ebenfalls in
Panik und versuchten davonzurennen. Mehr als ein Angreifer
wurde plötzlich von den Beinen gerissen und von einem verängstigten Pferd ein paar Schritte weit mitgezogen.
Tal duckte sich unter den Hälsen der Pferde hindurch und
tötete jeden Mann, den er erwischen konnte. Sechs Männer
lagen tot oder sterbend am Boden, bevor die Söldner bemerkten, dass ein Feind mitten unter ihnen war. Gerade als sie anfingen, Befehle zu schreien, griff John Creed mit seinen Leu
ten an.
Creeds Männer rasten hinter dem Gebäude hervor, wo sie
sich versteckt hatten, und einen Augenblick
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