Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 1
Schürhaken erstachen oder totschlugen.
Eine Frau tötete einen Feind, indem sie ihm eine Stricknadel
aus Knochen ins Auge stieß. Dann riss sie ihm das Messer aus
der Hand und drehte sich um, um einen weiteren Söldner an
zugreifen.
Tal trat ein paar Schritte zurück. Einen Augenblick lang
sah er alles vor sich wie bei einem Stillleben und hatte das
Gefühl, jede Einzelheit erkennen zu können. Vier Bogenschützen der Orodon waren noch am Leben, schossen weiterhin von der Palisade aus und achteten darauf, Feinde auszuwählen, die sich am Rand der Schlacht befanden. Die Kerntruppe von Ravens Leuten geriet ins Wanken, aufgehalten von
Tals Linie, während die Feinde dahinter hart von den Frauen
bedrängt wurden. Die Dorfleute waren zum ersten Mal in der
Überzahl. Hinter all dem entdeckte Tal etwas, das ihn staunen
ließ. Zwei von den Jungen, die mit den kleineren Kindern in
den Wald geschickt worden waren, waren zurückgekehrt, griffen nun nach Bögen, die die Schützen fallen gelassen hatten,
und schossen Ravens Männern, die mit den Frauen kämpften,
Pfeile in den Rücken.
Tal spürte, dass dies der Augenblick war, auf den er gewartet hatte: »Angriff!«, schrie er und sprang mitten in das Gemetzel.
Er tötete zwei Männer links und rechts von sich, und plötzlich versuchten die Feinde zu fliehen. »Tötet sie alle!«, schrie
er, ebenso sehr, um die Eindringlinge zu erschrecken, wie um
den Zorn loszuwerden, den er seit dem Tod seiner eigenen
Leute gegen diese Männer gehegt hatte.
Er riss das Schwert nach unten und hackte einem Mann die
Hand ab, der gerade eine Frau angreifen wollte, die auf einem
anderen Feind hockte. Der Mann starrte einen Augenblick ungläubig seinen abgetrennten Unterarm an, aus dem das Blut
sprudelte, dann trafen ihn Schmerz und Schock, und er fiel auf
die Knie und umklammerte den verwundeten Arm. Tal traf ihn
mit der Klinge im Genick, und der Mann sackte zusammen.
Tal trat fest gegen die Wade eines Mannes, der sich gerade
von ihm abwandte und fliehen wollte, und brachte ihn zum
Stolpern, was ihn zwang, seinen Schild fallen zu lassen, und
einem Orodon-Krieger die Möglichkeit gab, ihn zu töten. Einen Augenblick lang wurde Tal beinahe von drei Feinden
überwältigt, die sich ihm alle gleichzeitig zuwandten, sodass
er drei Schläge in rascher Folge abwehren musste, aber dann
wurde der Mann links von ihm von hinten getroffen, der
rechts von ihm bekam einen Pfeil in die Schulter, und sobald
Tal steh auf den Mann in der Mitte konzentrieren konnte,
wurde er schnell mit ihm fertig.
Er drängte sich durchs Getümmel, schlug nach zwei weiteren Gegnern, verfehlte einen und drehte sich um die eigene
Achse. Er setzte dazu an, sich nach links zu bewegen, denn er
war aus dem Gleichgewicht und hatte einen Feind hinter sich.
Er bemerkte aus dem Augenwinkel eine Bewegung und
drehte sich um. Etwas explodierte in seinem Gesicht, und die
Welt wurde grellgelb, dann rot. Dann wurde es vollkommen
dunkel.
Tal kam wieder zu sich, als ihm Wasser ins Gesicht gegossen
wurde. Er blinzelte und sah, dass John Creed neben ihm kniete, einen Schöpflöffel mit Wasser in der Hand. Es gab keine
Kampfgeräusche mehr. Er hörte Rufe und andere Geräusche,
aber kein Waffenklirren, keine Schreie, kein Fluchen.
»Was ist passiert?«, fragte er und versuchte sich hinzusetzen. Ihm war schwindlig vor Erschöpfung.
»Immer mit der Ruhe«, sagte Creed, während eine OrodonFrau Tal half, sich hinzusetzen. »Du bist von einem Schwert
getroffen worden, als der Mann nach hinten ausholte, um
mich anzugreifen. Hat dich mit der flachen Seite erwischt,
sonst säßest du jetzt in Lims-Kragmas Halle.«
Bei der Erwähnung der Todesgöttin murmelte die OrodonFrau ein Stoßgebet, um die Gottheit zu beschwichtigen.
»Wie lange war ich bewusstlos?«
»Nur ein paar Minuten«, antwortete Creed und half Tal auf
die Beine. »Vorsichtig.«
Tal nickte und hob die Hand an die Stirn. Er konnte spüren, wie die Beule anschwoll, und die Schmerzen sagten ihm,
dass er wirklich Glück hatte, noch am Leben zu sein. »Lieber
Glück als Können«, sagte er und dachte zum ersten Mal seit
Monaten wieder an Pasko. Er sah sich um. »Ist es vorbei?«
»Diesmal sind sie wirklich geflohen. Die meisten hier haben die Waffen niedergelegt und um Gnade gefleht. Der Rest
ist nach draußen gerannt und wurde von den Bogenschützen
erledigt. Ein paar haben es bis zum Wald geschafft und sind
entkommen.«
»Raven?«
»Auf dem Weg nach Süden, nehme ich an, so
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