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Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 1

Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 1

Titel: Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Silberfalke
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Talon
noch nie gesehen hatte. Er trug blaue Kniehosen, die er in
kniehohe Stiefel gesteckt hatte, ein dunkelgraues Hemd und
eine mit Schnüren geschlossene Weste. Er trug auch die ganze
Zeit einen Schlapphut, der dem von Schneekopf recht ähnlich
war, aber in Schwarz. Einmal hatte Talon gesehen, wie er das
Anwesen im Morgengrauen verließ und einen Langbogen
mitnahm, und am Abend dieses Tages war er mit einem ausgenommenen Stück Wild auf der Schulter zurückgekehrt.
Sofort verspürte der junge Mann so etwas wie Bewunderung;
Jäger waren bei den Orosini sehr wichtig gewesen.
    Pasko und Talon wurden überwiegend behandelt, als gehörten sie zum Inventar des Gasthauses. Nur Lela nahm sich
hin und wieder einen Augenblick Zeit und rief ihnen einen
Gruß zu, nickte oder winkte. Lars, ein untersetzter, rothaariger
junger Mann, und Gibbs, schlank und etwas älter, redeten
mitunter mit ihnen, baten um ein Stück Riemen oder Hilfe bei
einem Pferd, um das sie sich gerade kümmerten. Aber beide
vermieden jegliche weiteren Gespräche. Die meiste Zeit kam
es Talon so vor, als existierten er und Pasko für die Leute aus
dem Gasthaus überhaupt nicht.
    Nachdem ein ganzer Monat verstrichen war, wachte Talon
eines Morgens auf und bemerkte, dass Robert in der Scheune
war und sich angeregt mit Pasko unterhielt. Er stand rasch auf
und zog sich an, dann ging er zu den beiden.
    »Ah, der junge Talon«, sagte Robert lächelnd. »Pasko hat
mir erzählt, dass du dich gut erholst.«
Talon nickte. »Meine Wunden sind verheilt, und der größte
Teil der Steifheit ist verschwunden.«
»Fühlst du dich wohl genug, um auf die Jagd zu gehen?«
»Ja«, antwortete Talon, ohne zu zögern.
»Gut, dann komm mit.«
Er verließ die Scheune, und Talon begleitete ihn. Als sie
auf das Gasthaus zugingen, sagte Talon: »Herr, ich stehe in
Eurer Schuld, nicht wahr?«
»So ist es«, stimmte Robert zu.
»Wie soll ich diese Schuld begleichen?«
Robert blieb stehen. »Ich habe dir das Leben gerettet.«
»Ja«, erwiderte Talon.
»Wenn ich mich mit deinem Volk recht auskenne, dann
hast du mir gegenüber also eine Lebensschuld?«
»Ja«, sagte Talon ruhig. Eine Lebensschuld war eine komplizierte Angelegenheit, die jahrelangen Dienst direkter oder
indirekter Art einschloss. Wenn ein Orosini-Mann das Leben
eines anderen rettete, dann war der Gerettete dem anderen
gegenüber zum Dienst verpflichtet. Es war, als würde er zu
einem Familienmitglied, aber ohne die Vorrechte, die Familienmitgliedern üblicherweise zustanden. Seine Ehre verpflichtete ihn dazu, dafür zu sorgen, dass die Familie seines Retters
zu essen hatte, selbst wenn das bedeutete, dass seine eigenen
Verwandten hungerten. Er war verpflichtet, die Ernte seines
Retters noch vor der eigenen einzubringen. Robert hatte Talon
mit dieser Bemerkung mitgeteilt, dass der junge Mann ihn
nun als seinen Herrn betrachten musste, bis Robert ihn aus
seinem Dienst entließ.
»Dies ist eine große Schuld, nicht wahr?«
»Ja«, erwiderte Talon immer noch gefasst.
Der Wind wehte leicht und ließ die Blätter im Wald rascheln. Robert schwieg und schien nachzudenken. Dann sagte
er: »Ich werde dich prüfen, junger Talon. Ich werde dich auf
die Probe stellen und sehen, ob du genügst.«
»Wofür soll ich genügen, Herr?«
»Für viele Dinge. Und ich werde dir noch jahrelang nicht
alles darüber sagen. Sollte es sich erweisen, dass es dir an den
nötigen Fähigkeiten fehlt, werde ich dich für ein paar Jahre
Kendrick überlassen, so dass du lernst, für dich selbst zu sorgen, und zwar in einer Welt, die ganz anders ist als das Hochland der Orosini, denn diese Welt ist dir nun für immer versagt.«
Talon hörte diese Worte und fühlte sich, als hätte man ihm
einen Schlag versetzt, aber seine Miene blieb ausdruckslos.
Schließlich hatte Robert einfach nur die Wahrheit ausgesprochen. Falls nicht andere den Angriff irgendwie überlebt und
sich in die Berge gerettet hatten, war Talon nun der letzte
Orosini, und in diesen Bergen konnte ein Mann auf sich allein
gestellt nicht überleben.
Schließlich sagte Talon: »Und wenn ich die Prüfungen bestehe?«
»Dann wirst du Dinge sehen und lernen, die sich kein Orosini hätte vorstellen können, mein junger Freund.« Er drehte
sich um, als ein anderer Mann auf sie zukam. Es war Klinge,
und er hatte sich einen Langbogen auf den Rücken geschnallt
und trug einen weiteren in der Hand, zusammen mit einem
Köcher voller Pfeile. »Ah, da ist er ja«,

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