Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 1
geschrien, als
er entgegnete: »Nein, ich bin ein Mann! Ich habe meine Namenssuche hinter mir und …« Er hielt inne. »Ich hätte auch
meine Männertätowierung bekommen, wenn mein Volk nicht
niedergemetzelt worden wäre.«
Lelas Miene wurde sofort freundlicher, und sie kam wieder
auf ihn zu. »Das tut mir Leid. Das hatte ich vergessen.«
Sein Zorn verschwand, sobald sie sich wieder an ihn
schmiegte und ihn küsste. Ihre weichen, warmen Lippen bewirkten Regungen, die ihn beinahe überwältigten. Er packte
sie und zog sie an sich, was einen leisen Protestschrei auslöste. Sie schob ihn ein wenig zurück und sagte: »Nicht so fest!«
Talon blinzelte verwirrt. In ihm überschlugen sich Gefühle,
die er nicht benennen konnte; er wollte Lela unbedingt wieder
umarmen.
Sie grinste. »Du hast also keine Ahnung von dem Spiel
zwischen Frauen und Männern?«
»Spiel?«
Sie nahm ihn an der Hand. »Ich habe die Spiele gesehen,
die Robert und Magnus dir beigebracht haben. Ich glaube, es
ist jetzt an der Zeit, dich das beste Spiel von allen zu lehren.«
Nervös und vor Aufregung abermals errötend, klammerte
sich Talon an Lelas Hand, als sie ihn durch den Schankraum
zur Treppe führte.
Gibbs, der beobachtet hatte, was geschah, grinste und hob
seinen Bierkrug zum Gruß. Als Lela und Talon die Treppe zu
den leeren Gästezimmern hinaufstiegen, sagte er: »Wir brauchen
noch ein Mädchen, das hier arbeitet, anders geht es nicht.«
Da er keinen anderen Trost fand, entschloss er sich, wenigstens noch ein Bier zu trinken, bevor er sich einen Schlafplatz suchte.
Fünf
Reise
Talon nieste.
»Zu viel Pfeffer«, sagte Leo.
Talon wischte sich mit dem Schürzensaum die Tränen weg
und nickte. Er hatte nun ein Jahr in der Küche gearbeitet, und
in den letzten vier Monaten hatte er angefangen, sich dort zu
Hause zu fühlen. Er arbeitete immer noch überall dort, wo
Kendrick ihn brauchen konnte, aber in der letzten Zeit hatte er
am häufigsten mit dem Koch zusammengearbeitet.
Vor vier Monaten war Leo eines Tages hereinspaziert, hatte Talon zu sich gewinkt und ihm gezeigt, wie man die Formen für Pasteten vorbereitete, eine einfache Aufgabe, für die
man Talg und Weizenmehl brauchte. Von da war es weitergegangen zum Waschen von Obst und Gemüse. Dann hatte er
sich ZU einfachen Gerichten hochgearbeitet. In den letzten
Wochen hatte Talon die Grundbegriffe des Backens und Bratens gelernt und erfuhr nun, wie man Soßen machte.
Er lächelte.
»Was ist so komisch, junger Mann?«, fragte Leo.
»Ich dachte nur gerade, dass an der Vorbereitung eines guten Essens doch viel mehr ist, als ich als Junge gelernt habe.
Mein Vater und die anderen Männer unseres Dorfes saßen für
gewöhnlich um einen großen Spieß, an dem ein Stück Wild
gebraten wurde, unterhielten sich über die Jagd, die Ernte
oder darüber, wessen Sohn der schnellste Läufer war, und die
Frauen backten Brot und kochten Eintöpfe. Meine Mutter
hätte über die Gewürze in deinem Schrank nur gestaunt, Leo.«
»Auch einfache Gerichte können eine Herausforderung
sein, Talon. Ein Rinderbraten am Spieß muss im richtigen
Augenblick mit Salz und Pfeffer gewürzt und dann direkt vor
dem Auftragen noch mit einem Hauch Knoblauch verfeinert
werden.«
Talon grinste. »Meine Mutter hätte das mit dem Auftragen
nicht verstanden.«
»Du hast bisher nur einen Bruchteil kennen gelernt, Junge«, sagte Leo. »Was wir hier machen, ist an diese einfachen
Leute ziemlich verschwendet, und die Lords und Ladys, die
auf ihren Reisen hier Halt machen, halten unser Essen für
ländlich schlicht, wenn sie es mit dem vergleichen, was sie in
den großen Städten gespeist haben. Die adligen Tafeln von
Rillanon und Roldem biegen sich jeden Abend unter den Ergebnissen der Anstrengung eines Dutzends von Köchen und
von Hunderten von Küchenwelpen, wie du einer bist. Auf
jedem Teller befindet sich nur eine kleine Portion eines Gerichts, ein winziger Anteil. Das ist eine Kunst, Junge.«
Talon sagte: »Wie du meinst, Leo. Obwohl ich nicht sicher
bin, ob ich verstehe, was du mit ›Kunst‹ sagen willst. In meiner Sprache gibt es kein solches Wort.«
Leo hielt beim Rühren der Soße, die er gerade einkochte,
inne, und sagte: »Nein?«
Talon beherrschte Roldemisch inzwischen fließend und
musste nur noch hin und wieder bei der Aussprache korrigiert
und in seiner Freude an Flüchen ein wenig gebremst werden,
die Leo amüsierte, Robert verwirrte und Martha erzürnte. Es
fiel den
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