Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 1
Geschöpf zu packen, aber
der Fisch war ebenso glitschig wie schwer. »Hast du etwas,
womit ich ihn betäuben kann?«, fragte er nach mehreren vergeblichen Versuchen, mit dem Fisch zurechtzukommen.
»Oh«, sagte Magnus. Er machte eine Handbewegung, und
der Fisch wurde schlaff. »Er lebt noch, also wird er schön
frisch sein, wenn du ihn filetierst. Dieses Geschöpf nennt man
Tunfisch, und du kannst ihn leicht grillen und unterschiedlich
würzen. Leicht gewürzter Reis und gedämpftes Gemüse wären eine passende Beilage. Und kühler Wein – vielleicht ein
Halbtrockener aus Ravensburgh.«
Talon griff nach dem großen Fisch und blickte zu dem steilen Weg die Klippen hinauf. »Sonst noch etwas?«
»Wenn mir noch etwas einfällt, lasse ich es dich wissen.«
Talon stapfte langsam den Weg hinauf, und als er die Hütte
erreichte, tat ihm alles weh. Seine Arme und Schultern waren
wie verknotet, und seine Knie zitterten. Er war überzeugt,
dass der Fisch fast so viel wog wie er selbst. Er fragte sich,
was er damit machen sollte. Er könnte ihn auf dem Tisch ausnehmen, aber das würde eine Riesenschweinerei verursachen.
Vielleicht auf dem Boden draußen, dann würde er die Eingeweide mit Wasser wegwaschen können. Und wenn die Filets
groß genug waren, konnte er sie auf den Spieß stecken und
braten.
Aber wo sollte er Reis und Gewürze finden? Das Essen in
Magnus’ Hütte war bisher sehr schlicht gewesen, und das war
noch freundlich ausgedrückt.
Er legte den Fisch hin und war erleichtert, ihn loszuwerden. Als er aufstand, erinnerte ihn sein Rücken mit stechenden
Schmerzen daran, etwas derart Dummes nicht so bald wieder
zu tun. Er rieb ihn mit den Knöcheln der einen Hand, während
er mit der rechten die Tür öffnete.
Als er in die Hütte kam, wäre er vor Schreck beinahe wieder hinausgerannt. Statt des kleinen Innenraums, den er inzwischen so gut kannte, befand sich hier nun eine große Küche – größer als die Hütte selbst. Er schaute über die Schulter
noch einmal zur Tür hinaus und sah dort die vertraute Landschaft, aber drinnen sah es vollkommen anders aus.
Er entdeckte einen großen Tisch mit einer Pumpe, an der er
den Fisch säubern konnte, und dahinter einen Herd. Daneben
brannte ein Feuer unter einem Metallgrill. Er sah Regale weiter hinten an der Wand und zweifelte nicht daran, dass er dort
Gewürze und Reis finden würde. Und er war sicher, dass diese Tür dort zu einem Weinkeller führte, wo genau der richtige
Wein zu diesem Essen kühl lagerte.
Talon kratzte sich am Kopf. »Wie hat er das bloß gemacht?«
Neun
Verwirrung
Talon blinzelte.
Er las gerade ein weiteres Buch in der Sprache des König
reichs, diesmal die Lebensgeschichte eines Kaufmanns aus
Krondor namens Rupert Avery Der Kaufmann hatte dieses
Buch vor seinem Tod in Auftrag gegeben und veröffentlichen
lassen – Talon kam es vor wie ein einziger eitler Lobgesang auf
Avery. Es war schlecht geschrieben, und die Geschichte an sich
war reichlich unglaubwürdig, denn wenn man Avery glauben
durfte, war er für die Geschichte des Königreichs unentbehrlich
gewesen und hatte beinahe allein die Handlanger des Chaos
überwältigt, die versucht hatten, sein Land zu erobern.
Talon nahm an, dass die Geschichte an einem Lagerfeuer
ganz gut klingen würde, aber nur, wenn man mehr auf die
Krieger und Magier in dem Bericht achtete und weniger auf
die Hauptperson – einen Jungen, der reich geworden war. Er
kippte den Stuhl, auf dem er saß, leicht nach hinten, bis er
gegen die Wand stieß. Langsam fing er an zu begreifen, was
Reichtum bedeutete. Andere Menschen schienen sich daran
zu erfreuen, Wohlstand anzuhäufen. Talon war Orosini, und
vom Standpunkt dieses Volkes aus war alles, was man nicht
essen, anziehen oder benutzen konnte, reiner Luxus. Und über
einen gewissen Punkt hinaus Luxus anzuhäufen war eine Verschwendung von Zeit und Energie.
Aber dank diesem Verständnis des Konzepts von Reichtum
fing er auch an zu verstehen, wieso Macht für einige Menschen so wichtig war. Aus ihm vollkommen unbegreiflichen
Gründen gab es Leute, die ebenso nach Macht gierten, wie
dieser Avery nach Geld gegiert hatte. Männer wie der Herzog
von Olasko, die unbedingt eine Krone tragen und König genannt werden wollten, obwohl er nach dem, was Caleb und
Magnus Talon erzählt hatten, inzwischen vielleicht schon
König von Olasko und Aranor war.
Talon kippte den Stuhl wieder nach vorn und legte das
Buch auf den Tisch. Er war die letzten drei Tage allein
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