Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 1
Entscheidung?«
Talon schwieg einen Moment, dann holte er tief Luft und
erklärte: »Ja, ich werde dienen.«
»Gut. Das ist gut«, sagte Nakor. Er legte dem Jungen die
Hand auf die Schulter und holte noch eine Orange heraus.
»Magst du eine?«
Talon nahm sie. »Danke.«
Robert sagte: »Nun, dann sollte ich Magnus wohl mitteilen, dass er diese kleine Hütte zumachen und sich uns hier
anschließen kann. Talons Erziehung wird jetzt erst wirklich
beginnen.«
Und damit verließ er das Zimmer.
»Nakor«, sagte Pug, »zeige Talon, wo er wohnen wird. Er
wird sich ein Zimmer mit Rondar und Demetrius teilen.«
Nakor lachte. »Komm mit, Junge.«
Nachdem sie gegangen waren, blieb Pug noch einen Moment stehen und sagte dann scheinbar in die Luft: »Was hältst
du davon?«
Aus dem Schatten in der abgelegensten Ecke des Zimmers
erklang eine Stimme: »Ich finde, ihr habt dem Jungen keine
Wahl gelassen.«
Miranda trat ins Licht.
»Was hätte ich sonst tun können?«
»Ihn heilen und ihm von mir die Erinnerung nehmen lassen. Dann hättest du ihn in Magnus’ Hütte zurückbringen
können. Magnus hätte ihm eine Geschichte über einen Sturz
von der Klippe oder ein wildes Tier erzählen können. Der
Junge hätte das früher oder später geglaubt.«
Pug nickte. »Du hast Recht.«
Sie lächelte ironisch und legte ihrem Mann den Arm um
die Taille. »Ich habe immer Recht.«
»Selbstverständlich, Liebste«, erwiderte Pug ebenfalls lächelnd.
»Also bleibt nun die Frage, wieso ihr ihm keine Wahl gelassen habt.«
Pug schwieg einen Augenblick. Dann sagte er: »Ich weiß
es nicht. Es war etwas, das ich gespürt habe. Ich glaube, er
wird wichtig für uns sein.«
»Warum?«
»Das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass unser Feind in der
letzten Zeit sehr subtil geworden ist. Diese Todestänzer kamen vollkommen unerwartet. Sie erinnern mich an vergangene Zeiten.«
»Sie fürchten Magnus’ wachsende Macht.«
»Das sollten sie auch. Er könnte vielleicht der mächtigste
Magier werden, der je einen Fuß auf diese Welt gesetzt hat.«
»Wenn es uns gelingt, ihn vor weiteren Attentaten zu
schätzen«, sagte Miranda, und die Sorge einer Mutter war ihr
deutlich anzuhören.
»Diese Todestänzer erinnern mich an die Zeiten, als wir
von Armeen und Dämonen angegriffen wurden.«
»Etwas muss sie verärgert haben.«
Pug lachte. »Dass Magnus den Tempel dieses Todeskults
unten im südlichen Kesh zerstört hat, hat sie vielleicht genügend gereizt, um so etwas zu versuchen.«
»Todestänzer sind nicht gerade ein Ergebnis schlichter
Magie, Liebster. Selbst wenn ich die Neigung hätte, eine
solch finstere Magie zu praktizieren, und drei Menschen willig wären, ihre Seelen dafür zu geben, würde ich immer noch
Monate dazu brauchen.« Sie sah ihren Mann fragend an.
»Und ich bin, was diese Dinge angeht, erheblich besser als
du.«
Pug lächelte. »Das weiß ich. Und genau deshalb glaube
ich, dass Talon wichtig werden könnte.«
»Warum?«
»Weil Wölfe dazu neigen, sich um den Kadaver eines
Hirschs zu streiten, und währenddessen kann eine Maus an
ihnen vorbeischlüpfen und sich einen Bissen schnappen.«
»Wölfe fressen Mäuse«, erinnerte sie ihn.
»Nur wenn sie wissen, dass die Mäuse da sind. Aber es
kann sein, dass sich unsere Feinde so darauf konzentrieren,
unseren Sohn zu töten, dass sie Talon gar nicht kommen sehen.«
Miranda schmiegte sich an ihren Mann, als wäre ihr plötzlich kalt. »Um des Jungen willen hoffe ich, dass du Recht
hast.«
»Von welchem Jungen redest du jetzt? Talon oder Magnus?«
Miranda seufzte. »Von beiden.«
Talon folgte Nakor den Flur entlang, sein kleines Bündel an
die Brust gedrückt. Er fühlte sich immer noch schwach, war
aber eindeutig auf dem Weg der Besserung. Sie kamen an
einer Reihe von Türen vorbei, von denen die meisten geschlossen waren, aber durch ein paar offene konnte Talon
jeweils vier Betten in einem Raum erkennen.
Als sie an einer weiteren offenen Tür vorbeikamen, sah er
Alysandra, die auf einem Bett saß und sich leise mit einem
dunkelhaarigen Mädchen unterhielt, das hinter vorgehaltener
Hand kicherte. Beide Mädchen blickten auf, als Talon vorbeikam, und er hörte, wie sie anfingen zu lachen.
Ein seltsames Gefühl stieg in ihm auf, ein Gefühl, das Talon nicht so recht deuten konnte, wenn man einmal davon
absah, dass ihm das Kichern irgendwie unangemessen vorkam, denn schließlich hatte er gerade einen feierlichen
Schwur abgelegt und sein Leben in den Dienst einer
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