Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 1
dein neues Modell.«
Talon stellte den Becher ab. Er traute seinen Ohren nicht.
»Du bist das Modell?«
»Ja, für die Aktstudie, die du malen sollst.«
Talon spürte, wie seine Wangen glühten, aber er zwang
sich ruhig zu bleiben. Offensichtlich hatte sie kein Problem
damit, also kam er zu dem Schluss, dass auch er sich nicht
unbehaglich zu fühlen brauchte. Dennoch brachte er kaum
einen Bissen herunter, also goss er, was auf seinem Teller
war, wieder in den Topf zurück. »Ich habe eigentlich gar keinen Hunger«, erklärte er. »Ich war fast den ganzen Tag in der
Küche, und du weißt ja, wie das ist, man probiert hier ein wenig, knabbert da ein bisschen.«
Sie lächelte und schwieg.
Als sie fertig gegessen hatte, sagte sie: »Hol mir Wasser
vom See, und dann werde ich abspülen.«
Froh über die Gelegenheit, einen Moment allein zu sein,
beeilte sich Talon, ihrer Bitte nachzukommen, griff nach dem
großen Eicheneimer, der neben der Tür stand, und eilte zum
See. Ein kleiner Bach floss in den See, und Talon füllte den
Eimer dort, wo das Wasser am frischesten war. Er brachte ihn
zurück zur Hütte und bemerkte, dass Alysandra den Tisch
bereits abgeräumt und die Teller und Becher auf das Gestell
draußen neben der Tür gestellt hatte. Sie nahm ihm den Eimer
ohne Kommentar ab und spülte schnell das Geschirr.
Talon ging nach drinnen und dachte fieberhaft darüber
nach, was er als Nächstes sagen sollte. Aber noch bevor ihm
etwas eingefallen war, stand sie in der Tür, gerahmt vom
Abendlicht. »Es ist warm heute Abend«, sagte sie.
»Ja«, erwiderte Talon und merkte erst jetzt, dass er
schwitzte, aber das hatte nichts mit dem Wetter zu tun. »Es ist
ein bisschen warm.«
Plötzlich fing sie an, sich auszuziehen. »Gehen wir
schwimmen.«
Talon stand vollkommen verdutzt da, während sie rasch
das Kleid auszog. Als sie seine Miene sah, lachte sie. »Gewöhn dich schon mal daran, mich so zu sehen, Talon. Du
wirst mich schließlich malen, vergiss das nicht.«
»Ja, wahrscheinlich«, erwiderte er und sah sie an, als sie
sich umdrehte und zum See eilte.
»Komm schon!«, rief sie und lachte über sein offensichtliches Unbehagen.
Talon zog Stiefel, Hemd und Hose aus und lief hinterher.
Alysandra watete bereits ins Wasser, als er das Ufer erreichte.
Er rannte ins Wasser und sprang rasch hinein. Als er wieder
hochkam, wischte er sich das Haar aus den Augen und sagte:
»Wunderbar.«
Sie schwamm auf ihn zu. »Ja, nicht wahr?«
»Ich bin heute nicht zum Baden gekommen; ich habe das
hier wirklich gebraucht«, erklärte Talon.
»Du hast nicht schlimmer gerochen als sonst«, sagte sie.
»Wie?«, fragte er, erschrocken über die Bemerkung. »Rieche ich schlecht?«
Sie lachte. »Das war ein Witz, Dummkopf.« Dann begann
sie, ihn nass zu spritzen.
Er spritzte zurück, und schon bald alberten sie herum wie
Kinder. Dann schwammen sie beinahe eine Stunde, bis der
große Mond im Osten aufging, und Alysandra sagte: »Zeit,
nach Hause zu gehen.«
»Ich habe keine Handtücher oder Bademäntel mitgebracht«, erwiderte Talon, als wäre er dafür verantwortlich
gewesen, an solche Dinge zu denken.
»Es ist warm. Wir werden schon halb trocken sein, bis wir
die Hütte erreicht haben.«
Sie verließen das Wasser und gingen nebeneinander her.
Talon konnte den Blick nicht von ihrem Körper abwenden.
Sie war schlank, wie er schon wusste, aber ihre Brüste waren
größer, als er sich vorgestellt hätte, und ihre Hüften schmaler,
beinahe jungenhaft.
»Du starrst mich an.«
Er wurde rot. »Entschuldige. Ich habe nur daran gedacht,
wie ich dich am besten malen kann.«
Sie wandte den Blick ab. »Oh. Selbstverständlich.«
Verlegen bemerkte Talon, dass sein Körper auf ihren Anblick reagierte. Am liebsten wäre er im Boden versunken.
Aber zum Glück ignorierte Alysandra seine Unsicherheit. Als
sie die Hütte erreichten, blieb Talon an der Tür stehen. »Mir
ist gerade erst aufgefallen …«
»Was denn?«, sagte sie und wandte sich ihm zu.
»Es gibt nur ein Bett.«
»Selbstverständlich«, erwiderte sie und machte einen
Schritt vorwärts, bis sie ihn berührte. Sie schlang die Arme
um seinen Hals, und plötzlich war ihr Gesicht vor seinem, und
sie küsste ihn. Talon zögerte, aber nur einen Augenblick.
Dann zog er sie an sich, und alles andere auf der Welt war
vergessen.
»Was pfeifst du denn da?«, fragte sie.
»Nicht bewegen«, befahl Talon grinsend. »Irgendeine Me
lodie, ich weiß auch nicht. Etwas, was ich erfunden
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