Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 1
festeren Schlag auf
die andere Seite von Talons Kopf an, und der junge Mann
konnte kaum ausweichen. Er fiel auf die Knie, rollte sich weg
und gewann einen Augenblick, weil Magnus um das Bett herumeilen musste, um ihn zu erreichen. Als er das tat, stand
Talon schon neben dem Tisch, das Schwert gezogen. »Meister
Magnus!«, schrie er. »Was soll das?«
Magnus antwortete nicht, sondern fingierte stattdessen einen Stoß mit dem Ende des Stabs gegen Talons Kopf, dann
zog er den Stab in einem Bogen nach oben. Talon erwischte
den Stab gerade noch mit dem Schwert und konnte ihn von
seinen Schultern wegdrängen. Dann machte er einen Schritt
vorwärts, packte seinen Lehrer vorn am Gewand und brachte
ihn aus dem Gleichgewicht. Er legte Magnus das Schwert an
die Kehle und sagte: »Soll ich dich jetzt umbringen?«
»Nein«, erwiderte Magnus grinsend. Er packte Talons
Schwerthand, und Talon spürte, wie seine Finger taub wurden. Als das Schwert ihm aus der Hand fiel, hörte er Magnus
sagen: »Das war sehr gut.«
Talon trat zurück und rieb sich die Hand. »Was soll das alles?«
»Wenn dein Feind dich überraschend angreift, glaubst du,
er wird einen Augenblick vor dem tödlichen Schlag innehalten und sagen: ›Armer Talon. Er ist traurig wegen seiner verlorenen Liebe. Ich glaube, ich warte lieber noch einen Tag,
um ihn umzubringen …‹«
Talon rieb weiter seine tauben Finger. »Nein.«
»Genau.« Magnus bedeutete Talon, sich wieder aufs Bett
zu setzen. »Unsere Feinde werden uns auf Arten angreifen,
die du dir nicht einmal vorstellen kannst. Caleb und andere
können dich in der Benutzung von Waffen unterrichten und
deine natürliche Begabung verfeinern. Ich kann dir einiges
über deinen Geist zeigen und es für deine Feinde schwerer
machen, dich zu verwirren oder zu täuschen. Aber das
Herz…« Er tippte sich an die eigene Brust. »Dort sind Männer am verwundbarsten.«
»Das hier war also eine Lektion?«
»Ja«, antwortete Magnus mit grimmiger Miene, »Eine ausgesprochen grausame, aber notwendig.« »Sie hat mich nicht
geliebt?«
»Nie«, erklärte Magnus kalt. »Sie ist unser Geschöpf, Talon, und wir benutzen sie, genau wie wir dich und jeden anderen Schüler benutzen. Das hier war einmal ein Ort des Lernens und der Bildung um ihrer selbst willen. Mein Vater war
der Gründer der Akademie der Magier unten in Stardock.
Wusstest du das?«
»Nein.«
»Als die Politik die Akademie überwältigte, schuf er hier
einen anderen Ort des Lernens, der für Schüler mit besonderer
Begabung gedacht ist. Ich bin hier aufgewachsen. Aber als der
Schlangenkrieg tobte und Krondor zerstört wurde, erkannte
mein Vater, dass unsere Feinde gnadenlos waren und man
nicht damit rechnen konnte, dass sie Mitgefühl für uns empfinden würden. Also wurde diese Schule ein Ort der Ausbildung. Einige Schüler kommen aus anderen Welten, aber es
werden jedes Jahr wenigen Robert hat ein paar Lehrer aus
anderen Welten hergebracht, aber überwiegend ist es Vater,
der unterrichtet, zusammen mit Mutter, Nakor, mir und anderen wie zum Beispiel Robert.«
»Ich habe noch nicht gefragt, weil ich annehme, dass ich es
noch erfahren werde, aber wer ist dieser Feind?«
»Es ist sehr schwer, das jemand so Jungem wie dir zu erklären. Ich überlasse es Vater und Nakor einzuschätzen, ob du
bereit bist, es zu verstehen. Eines kann ich dir allerdings jetzt
schon sagen: Die Agenten des Feindes werden versuchen,
dich zu töten, und wie du an dem Abend gesehen hast, als die
Todestänzer mich umbringen wollten, können sie auf die unerwartetste Weise und an Orten zuschlagen, die du für sicher
halten würdest.«
»Also muss ich …«
»Lernen, vorsichtig sein und nur ganz wenigen vertrauen.« Er hielt inne und überlegte, was er als Nächstes sagen
sollte. »Wenn ich Rondar oder Demetrius befehlen würde,
dich zu töten, dann würden sie es tun. Sie würden annehmen,
dass ich gute Gründe hätte und du eine Gefahr für uns darstelltest. Wenn ich Alysandra befehlen würde, dich zu töten-,
würde sie es ebenfalls tun. Der Unterschied ist, dass Rondar
und Demetrius Bedauern empfinden würden. Alysandra
nicht.«
»Und Ihr seid dafür verantwortlich, dass sie so geworden
ist?«, fragte Talon. Sein Zorn wuchs, und sein Gerechtigkeitssinn stachelte ihn noch mehr an.
»Nein«, antwortete Magnus. »Sie war schon so, als wir sie
fanden. Alysandra hat einen Makel, einen tragischen, schrecklichen Makel. Sie sieht andere nicht so, wie du und ich das
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