Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 2
war. Selbst wenn er dabei sterben
sollte, hätte er zumindest seine Pflicht gegenüber
seinen Ahnen erfüllt.
Aber vor Kaspar musste noch ein anderer sterben:
Hauptmann Quint Havrevulen, der Mann, der persönlich den Mord an Tals Familie überwacht hatte.
Ja, er würde nach einer Möglichkeit Ausschau halten
müssen, den Hauptmann noch vor Kaspar umzubringen. Falls Tal selbst überlebte, nachdem er Quint und
Kaspar getötet hatte, würde er noch genug Zeit haben, den Verlust seiner eigenen Seele zu beweinen.
Falls er überlebte.
Zehn
Entdeckung
Tal wartete.
Kaspar lehnte sich zurück, las eine Botschaft und
legte das Pergament schließlich lächelnd beiseite.
»Ich habe gerade von unseren Leuten in Micels Posten erfahren, dass Fürstin Svetlana überraschend an
einem Fieber erkrankt ist, das ihr Herz schließlich
stillstehen ließ. Fürst Janosh ist vor Trauer außer
sich, und der Rat hat ihn für regierungsunfähig erklärt. Fürst Serge wurde zum Herrscher ernannt, aber
da er nur ein Junge ist, wird Minister Odeski in seinem Namen regieren, bis der Junge volljährig ist.« Er
schwieg einen Augenblick und sagte dann: »Brillant,
Tal. Wie habt Ihr eine so hervorragende Lösung gefunden?«
Tal blieb ganz ruhig. »Mein Kammerdiener Amafi
wusste von einem bestimmten Gift, das aus scheinbar
harmlosen Bestandteilen – von denen einige allerdings schwierig zu finden sind – gemischt werden
kann, und er hat diese Bestandteile in mehreren Apotheken in der Stadt erworben. Er hat das Gift vorbereitet, und ich habe eine Möglichkeit gefunden, es
der Fürstin am Abend vor meinem Abschied zu verabreichen. Der Tod sollte innerhalb einer Woche
eintreten.«
»Es gibt also keine eindeutige Verbindung zwischen Eurem Besuch und ihrem Dahinscheiden.«
Kaspar strahlte regelrecht. »Mein Junge, ich bin sehr
zufrieden mit Eurer Arbeit. Ich erwarte, dass wir
schon in ein paar Tagen einen Brief des Ersten Ministers erhalten, in dem er uns um eine ›Klärung‹ bezüglich meiner letzten Botschaft bittet, damit er anfangen
kann, bezüglich meiner Forderung zu feilschen.«
»Werde ich nach Micels Posten zurückkehren?«
»Nein«, sagte Kaspar. »Mein Beharren auf dem
Schwur der Lehnstreue wird nachlassen. Ich wollte
vor allem, dass Svetlana stirbt, obwohl die alte Hexe
mir fehlen wird.« Er hob die Hand, Zeigefinger und
Daumen nur ein winziges Stück voneinander entfernt. »Wisst Ihr, dass ich so nah dran war, sie zu
heiraten? Mein Vater hielt sie für eine gute Partie,
aber ich habe es ihm ausgeredet. Wir hätten einander
umgebracht.« Plötzlich lachte Kaspar und sagte: »Na
ja, ich habe es schließlich auch getan.«
Er stand auf. »Ich belohne gute Arbeit, Tal, und
für diese Arbeit seid Ihr jetzt ein Baron an meinem
Hof. Ich lasse das Adelspatent ausfertigen und werde
ein nutzloses Stück Land für Euch finden, das zu
dem nutzlosen Land passt, das Ihr auf den Inseln besitzt. Aber auf Euch warten noch andere Belohnungen, wenn Ihr mir weiterhin so gut dient.«
»Danke, Euer Gnaden. Ich werde stets mein Bestes tun.«
»Kommt, lasst uns etwas essen und sehen, was wir
sonst noch aushecken können.«
Tal folgte Kaspar auf einen Balkon, der zum Hafen hinausging. Es war ein kühler Tag, da der Herbst
schon fortgeschritten war, und beide Männer trugen
dicke Mäntel. Tal fand die kalte Luft jedoch belebend, und die Diener stellten Essen und Wein auf
den Tisch zwischen ihnen.
Kaspar bedeutete den Dienern, sich zurückzuziehen, und als sie in diskreter Entfernung Aufstellung
genommen hatten, sagte er zu Tal: »Ich muss sagen,
ich war durchaus darauf vorbereitet zu hören, dass
man Euch gefangen genommen und hingerichtet hat,
was mir eine Ausrede geliefert hätte, in Salmater einzumarschieren und Euch zu rächen. Nicht, dass ich
eine Ausrede brauchte, aber Ihr versteht, was ich
meine.«
»Jawohl, Euer Gnaden.«
»Jetzt kann ich Minister Odeski wahrscheinlich
einige Zugeständnisse abringen und mir den Krieg
sparen.«
Tal sagte: »Ich hatte den Eindruck, dass Ihr vollkommene Unterwerfung wünscht, Euer Gnaden.«
»Von Svetlana und ihrem dämlichen Mann, ja.
Falls Ihr bei Eurem Auftrag versagt hättet. Verlasst
Euch nie auf einen einzigen Plan, Tal. Ihr solltet immer zwei oder mehrere haben, wenn Ihr Euch auf
etwas Gefährliches einlasst. Wenn der erste Plan versagt, macht Euch an den zweiten. Falls der zweite
keinen Erfolg hat, nehmt den dritten.«
»Und wenn der dritte Plan ebenso
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