Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 2
sobald einer
der hiesigen Herrscher Ehrgeiz entwickelt. Aber
niemals in all dieser Zeit hat ein Herrscher von einem anderen einen Lehnsschwur verlangt.«
Tal senkte die Stimme und sagte: »Mein Herr
sucht Stabilität. Er nimmt an, dass diese Region früher oder später die Aufmerksamkeit der Inseln oder
die von Kesh erwecken wird. Roldems Flotte kann
die östlichen Reiche bis zu einem gewissen Punkt
vor Kesh schützen, falls König Carol die Verträge
mit Aranor und Olasko wirklich erfüllt, aber wer
schützt Roskalon, Miskalon und Salmater vor den
Inseln, falls sie beschließen, dort einzumarschieren?
Roldem könnte vielleicht in der See des Königreichs
gegen eine Kriegsflotte aus Kesh bestehen, aber sie
werden keine Truppen zum Festland bringen, um gegen die Inseln zu helfen.«
»Das Königreich der Inseln hat nie versucht, sich
nach Osten auszudehnen. Der Blick des Königreichs
war stets nach Westen gewandt.«
»Aber wer weiß schon, ob sich das nicht ändern
wird?« Tal senkte die Stimme noch mehr. »Ich sage
das nicht leichtfertig, aber es ist in unser aller Interesse, dass Salmater und Olasko gute Nachbarn bleiben.« Er blickte sich um. »Ich würde diesen reizenden Palast ungern in Trümmern sehen.« Pasko hätte
gesagt, dass Tal dem Maultier gerade den Stock gezeigt hatte, also war es jetzt Zeit für die Möhre.
»Mein Herr ist gegenüber seinen Freunden sehr
großzügig. Er wüsste es sicher zu schätzen, wenn ein
Mann in Eurer Position auf die Vermeidung eines
Krieges hinarbeitet.«
Odeski sah aus, als ob er etwas sagen wollte, aber
dann schloss er den Mund wieder und schwieg einen
Augenblick. Schließlich erklärte er: »Ich werde Ihren
Hoheiten zur Vernunft raten.«
»Ich werde dem Herzog gegenüber Eure gute Arbeit erwähnen, wenn ich Bericht erstatte.«
»Ich wünsche Euch einen guten Tag, Junker«, sagte der Erste Minister und ging.
Tal erkannte, dass Amafi den älteren Adligen richtig eingeschätzt hatte. Odeski würde seinen Fürsten
nicht offen verraten, aber er war gewillt, im Dienste
jeder friedlichen Einigung zu arbeiten, die ihm seine
Privilegien ließ.
Und sobald die Fürstin tot war, würde der Haushalt in Aufruhr geraten, und der Fürst wäre so unfähig zu herrschen wie ein Huhn bei Gewitter. Odeski
würde beinahe mit Sicherheit die Herrschaft über den
Rat übernehmen, und danach würde in Salmater geschehen, was Kaspar wollte.
Tal stand allein an Deck. Es waren noch vier Tage
bis nach Opardum, und nach seiner Berechnung sollte Fürstin Svetlana nun tot sein. Das Gift, das Amafi
für ihn gemischt hatte, sollte die Fürstin erst eine
Woche nach der Einnahme töten, und es würde so
aussehen, als wäre sie an Herzproblemen gestorben.
Das Schöne an diesem Gift, hatte der ehemalige Attentäter erklärt, waren die irreführenden Symptome,
die aussahen wie ein Fieber, was Ärzte und Heilpriester dazu veranlasste, die Patienten vollkommen
nutzlosen Kuren zu unterziehen. Der Tod kam dann
rasch, und falls kein ausgesprochen mächtiger Heilpriester vor Ort war, hatte die Fürstin kaum eine
Chance zu überleben. Wie Amafi prophezeit hatte,
war es kein Problem gewesen, ihr das Gift zu verabreichen. Als sie schlief, nahm Tal eine dünne Seidenschnur und die winzige Phiole des Gifts aus seiner Tasche. Er ließ das Gift tröpfchenweise an der
Schnur entlang auf den Mund der Fürstin laufen. Wie
Amafi vorhergesagt hatte, leckte sie im Schlaf ihre
Lippen, und jedes Mal, wenn sie sich regte, hielt Tal
inne. Das Gift hatte einen klebrigen, süßen Geschmack, und am nächsten Morgen waren die Reste
auf ihren Lippen trocken und damit harmlos geworden. Tal konnte sie ohne Angst wachküssen. Sie hatten sich vor dem Morgengrauen geliebt, und Tal hatte dabei gewusst, dass er sie bereits getötet hatte.
Nun spürte er so etwas wie Reue und schob dieses
Gefühl schnell beiseite. Er wusste, dass Svetlana
trotz ihres Charmes so gnadenlos war wie Kaspar
und dass Sex nur eine ihrer vielen Waffen darstellte,
dass ihre Leidenschaft und die süßen Worte, die sie
in sein Ohr flüsterte, bedeutungslos waren.
Sein Auftrag war finster, und er hatte bereits seine
Seele gegeben, um ihn zu erfüllen. Wie in der Geschichte von dem Skorpion war Kaspar von seiner
ganzen Art her ein Mann, der andere verriet, und
schließlich würde er auch Tal verraten, und dann wäre er frei von seinem Schwur und imstande, den
Mann zu töten, der für die Vernichtung seines Volkes verantwortlich
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