Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 2
zurück. Er hoffte, dass die Berührung den Zauberer
nicht alarmiert hatte, hielt das aber für unwahrscheinlich, denn es gab genug Ratten in diesen Fluren, so
dass der Zauberer in diesem Fall zwei- oder dreimal
wöchentlich hier heraufkommen müsste, um nachzusehen, wer oder was die Tür berührt hatte.
Tal beschloss, es für diesen Abend gut sein zu lassen und in seine Gemächer zurückzukehren. Er nahm
die kürzeste Route, und nach einem halben Dutzend
Leitern und beinahe einer halben Meile Wegstrecke
riss er die Dienertür direkt gegenüber seinen Gemächern auf. Er spähte hinaus, sah, dass der Flur leer
war, und durchquerte ihn rasch.
Als er seine Wohnung betrat, wartete Amafi bereits. »Lady Natalia hat nach Euch geschickt.«
»Wie lange ist das her?«, fragte Tal und zog seinen staubigen Überrock aus.
»Etwa zehn Minuten. Ich sagte, wie Ihr es gewünscht habt, dass Ihr im Bad seid und bald zu ihr
kommen werdet.«
Tal riss sich die verbliebene Kleidung vom Leib
und stieg rasch in die Wanne. »Ich kann wohl kaum
so staubig zu ihr gehen.«
Er wusch sich rasch und trocknete sich mit einem
großen Handtuch ab. Amafi versuchte, so viel Wasser wie möglich aus Tals schulterlangem Haar zu
kämmen.
Tal fühlte sich zwar immer noch ein wenig feucht,
aber er erklärte: »Das muss genügen«, und machte
sich auf den Weg.
Er beeilte sich, so gut das möglich war, da er
schließlich keine Aufmerksamkeit erregen wollte. Er
erreichte die Tür zu Natalias Gemächern und klopfte.
Die zwei Gardisten zu beiden Seiten der Tür ignorierten ihn, also wusste er, dass man ihn erwartete.
Eine Dienerin öffnete die Tür und ließ ihn ein. Als
Tal die Gemächer betrat, ging das Mädchen durch
dieselbe Tür hinaus und ließ ihn allein. Er ging weiter zu Natalias Schlafzimmertür und öffnete sie.
»Du Schuft«, sagte sie zärtlich. »Du hast mich warten lassen.« Sie hatte sich gegen einen Berg von Kissen gelehnt, bis zu den Schultern von einem schneeweißen Laken bedeckt. Ihre nackten Schultern und der
Hals schimmerten im Licht einer einzelnen Kerze,
und sie hatte ihr langes, schwarzes Haar aufgesteckt.
»Ich war im Bad«, sagte Tal. Er ging durchs Zimmer und setzte sich neben sie.
Sie ließ das Laken fallen, streckte die Arme aus
und zog ihn an sich. »Die meisten Männer sind nicht
so reinlich.«
»Stört es dich etwa?«, fragte er, bevor sie ihn küsste.
Nach einem langen, leidenschaftlichen Kuss sagte
sie: »Nein, obwohl ich zugebe, dass ich deinen eigenen Duft – in Maßen – dem der Seife, die du benutzt,
vorziehe. Ich werde dir welche schicken, die ich in
Rodez gefunden habe und die ich sehr mag.«
»Ich werde sie gerne benutzen.«
»Und jetzt halt den Mund und zieh dich aus.«
»Ja, Mylady«, sagte Tal und grinste.
Als der Morgen kam und die Sonne noch nicht
einmal den Horizont erreicht hatte, regte sich Natalia,
als Tal versuchte, sich von ihr zu lösen. Sie erwachte
und klammerte sich in ihn. »Geh nicht.«
»Ich muss. Wenn dein Bruder mich ruft, wäre es
für alle besser, wenn der Page mich in meinen Gemächern fände.«
»Wie lästig«, sagte sie schmollend. Manchmal
wirkte sie wie ein kleines Mädchen.
Während er sich anzog, blieb sie auf dem Rücken
liegen und starrte den Betthimmel an. »Manchmal
wünschte ich, du wärst ein Fürst oder zumindest ein
mächtiger Herzog, Tal.«
»Warum?«
»Dann würde mein Bruder vielleicht unserer Heirat zustimmen.«
Bei diesen Worten spürte Tal ein unerwartetes
Stechen in der Magengegend. Er drehte sich um und
sagte: »Natalia …«
Sie lachte. »Schau nicht so entsetzt drein, Tal.«
Sie setzte sich auf und zog ein Kissen an die Brust.
»Ich bin nicht in dich verliebt.« Sie kniff die Augen
zusammen. »Ich glaube nicht, dass ich mich in irgendwen verlieben könnte. Ich glaube, das wurde aus
mir herausgezüchtet. Und ich weiß, dass du nicht in
mich verliebt bist. Wir sind wohl beide nicht von
dieser Art. Aber es macht Spaß, mit dir zusammen zu
sein. Wenn ich schon einen Mann heiraten muss, den
ich nicht liebe, sollte es wenigstens einer sein, mit
dem ich ein bisschen Spaß haben kann. Du weißt so
viel und hast für einen so jungen Mann schon so viel
geleistet. Und ich denke, du könntest … etwas Besonderes sein.«
»Du schmeichelst mir, Natalia.«
»Ja, das tue ich, aber du hast es verdient. Du bist
der jüngste Mann, der je das Turnier der Meister gewonnen hat – ich habe einen Schreiber Nachforschungen anstellen lassen. Und wie du Kaspar
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