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Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 2

Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 2

Titel: Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Konig der Fuchse
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flinker Junge, also könntest du Kyle und Anatoli hier vielleicht entkommen, aber mit
den Ketten ist das fraglich. Falls es dir gelänge, würdest du vielleicht einen Weg zum Strand an der
Nordseite der Insel finden, aber wohin würdest du
von dort aus gehen? Sieht ziemlich nah aus, wie?
Das Festland, meine ich. Drei Meilen, mehr oder
weniger. Aber es gibt dort eine Strömung, die dich
nach Norden treiben lässt, und Haie und andere Gefahren. Immer vorausgesetzt, die Ketten ziehen dich
nicht in die Tiefe. Aber vielleicht bist du ein guter
Schwimmer. Wenn du es bis zum Ufer schaffst, bist
du meilenweit von irgendetwas Essbarem entfernt.«
    Sie erreichten eine alte Zugbrücke, die anscheinend seit Jahren nicht mehr hochgezogen worden
war. Als sie sie überquerten, blickte Tal nach unten
und sah einen fünfundzwanzig Fuß tiefen Graben mit
spitzen Steinen am Boden. »Vielleicht bist du ja ein
Jäger«, fuhr der Kommandant fort. »Vielleicht
kommst du durch, obwohl es Winter ist. Du machst
ein Feuer, und es gelingt dir irgendwie, nicht zu erfrieren. Aber was dann?« Er drehte sich um, und zum
ersten Mal konnte Tal sein Gesicht richtig sehen.
    Dem Kommandanten des Gefängnisses fehlte das
linke Auge, und er hatte eine Kerbe in der Nasenwurzel, als hätte ihn jemand dort mit einer Klinge
getroffen. Seine eigenen Zähne waren ihm ausgeschlagen worden, und er trug eine Art Prothese aus
Holz und Zähnen – vielleicht Menschenzähne, vielleicht Tierzähne –, die ihm wohl beim Essen helfen
sollte. Er grinste und sagte: »Der einzige zivilisierte
Ort für Hunderte von Meilen ist Wächterstadt, und
das ist eine Grenzstadt, also sehen sich die Wachen
dort jeden sehr genau an.« Sie erreichten den Eingang zu der alten Festung, und der Kommandant
blieb stehen. »Sieh dich um, Junge. Schau nach oben.«
    Tal tat es.
»Ich denke, es ist das letzte Mal, dass du den offenen Himmel sehen wirst.« Er gab den Männern ein
Zeichen, und sie führten Tal die Treppe hinauf in die
alte Festung.
Was einmal die Eingangshalle gewesen war, war
nun kahl und leer, ein riesiger Raum mit zwei Türen
in jeder Wand. Tal und die anderen marschierten über einen Steinboden, der in Jahrhunderten von Füßen glatt geschliffen worden war, und gingen durch
eine weitere Tür.
»Das hier war einmal die große Halle«, sagte der
Kommandant. »Jetzt benutzen wir sie nur noch für
Bankette.«
Die beiden Wachen lachten. »Komm mit«, sagte
der Kommandant.
Sie führten Tal zu dem Bereich, der einmal die
Privatwohnung des Festungskommandanten gewesen
sein musste. Jetzt war es ein Büro, in dem ein großer
Tisch mit Essen, leeren Weinbechern und Papieren
stand. Eine Ratte huschte vom Tisch, aber erst, als
der Kommandant sie verscheuchte.
Der Kommandant zog seinen schweren Umhang
aus und warf ihn über einen Stuhl. »Dann sehen wir
mal, was wir hier haben«, sagte er und rollte die Papiere auf. »Junker Talwin Hawkins, stimmt das?«
Tal schwieg.
»Ich bin Kommandant Zirga. Ich war einmal
Feldwebel in der Hausgarde des Vaters des Herzogs.
Das hier«, sagte er und zeigte auf sein Gesicht, »ist
in der Schlacht von Karesh’kaar passiert, als ich
nicht viel älter war als du. Also haben sie mir zur Belohnung diesen Posten gegeben. Ich habe eine Woche im Jahr frei, um nach Wächterstadt zu gehen und
mein Gold mit Huren und einem Besäufnis zu verprassen. Den Rest der Zeit kümmere ich mich um
euch Gefangene. Damit wir einander verstehen: Du
machst keinen Ärger, und wir kommen prima miteinander aus. Du bist mehr oder weniger hierher gekommen, um zu sterben, und es liegt an dir, wie du
von jetzt an bis zu dem Tag, an dem wir deine Asche
von den Klippen streuen, zurechtkommst.« Er fuchtelte mit den Papieren vor Tals Nase herum. »Es
heißt hier drin, dass man dich gut behandeln soll,
was ein wenig mehr Essen bedeutet, und wir bringen
dich in die eigentliche Festung und nicht in den Kerker. Die da unten sterben ziemlich schnell, die meisten in weniger als zwei Jahren. Oben hast du ein
wenig Sonnenlicht und etwas bessere Luft; es wird
im Winter bitterkalt, aber im Sommer wirst du über
den Wind froh sein. Ich habe ein paar Jungs da oben,
die seit fünfzehn, zwanzig Jahren bei uns sind. Also
bringen wir dich sofort nach oben … sobald wir deine rechte Hand abgehackt haben.«
Der Kommandant winkte den beiden Wachen, die
Tal an den Armen packten und ihn ein wenig hochhoben, damit er keinen Halt auf dem Steinboden
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