Feist, Raymond - Die Erben von Midkemia 3
nur.
»Eure Begleiter wissen das nicht?«
Kaspar trank einen Schluck Wein. »Ich möchte nicht, dass sie es wissen.«
»Ich bin sicher, Ihr habt gute Gründe dafür. Ihr seid wohl wirklich weit von zu Hause entfernt.«
»Eine halbe Welt«, sagte Kaspar. »Ich… ich war Herrscher eines Herzogtums, der fünfzehnte Herzog von Olasko. Meine Familie hatte sowohl durch Abstammung als auch durch Heirat direkte Verbindungen zum Thron von Roldem – nicht das mächtigste, aber eines der einflussreichsten Reiche in der Region. Ich…« Er starrte ins Leere, als er sich an Dinge erinnerte, an die er nicht mehr gedacht hatte, seit er Flynn und den anderen begegnet war. »Ich bin den beiden schlimmsten Fehlern eines Herrschers zum Opfer gefallen.«
Alenburga sagte: »Eitelkeit und Selbstbetrug.«
Kaspar lachte. »Dann sind es also drei, wenn man den Ehrgeiz noch hinzuzählt.«
»Die Macht, die Ihr geerbt habt, hat Euch nicht genügt?«
Kaspar zuckte die Achseln. »Es gibt zwei Arten von Menschen, die in eine mächtige Stellung geboren werden, glaube ich. Nun ja, drei, wenn man die Narren mitzählt, aber wenn man einen Kopf zum Herrschen hat, ist man entweder mit dem, was das Schicksal einem gegeben hat, zufrieden, oder man strebt stets danach, seine Ländereien zu vergrößern.
Ich fürchte, mir liegt das Letztere im Blut. Ich versuchte, so viel Land wie möglich hinzuzugewinnen und meinen Erben ein wirklich großes Reich zu hinterlassen.«
»Also Ehrgeiz und Eitelkeit in hohem Maß.«
»Ihr scheint Euch mit diesen Dingen auszukennen.«
»Ich bin ein Verwandter des Radschas, aber ich habe keinen anderen Ehrgeiz, als zu dienen und einer unruhigen Region Frieden zu bringen. Mein Vetter ist ein ausgesprochen weiser junger Mann. Ich habe keine Söhne, aber selbst wenn ich welche hätte, könnte ich mir keinen besseren Erben für das vorstellen, was ich aufgebaut habe. Er ist… bemerkenswert.
Es ist eine Schande, dass Ihr ihn nicht kennen lernen werdet.«
»Warum nicht?«
»Weil Ihr es so eilig habt, nach Hause zu kommen, und Muboya liegt im Norden und damit kaum auf Eurer geplanten Route.«
»Dann habt Ihr wohl Recht. Wir sind also frei zu gehen?«
»Noch nicht ganz. Wenn wir dank Eures verrückten Plans verlieren…«
»Mein Plan?«, rief Kaspar lachend.
»Selbstverständlich, wenn wir verlieren. Wenn wir siegen, bin ich das Genie, dem das Verdienst an diesem verblüffenden Sieg zuzuschreiben ist.«
»Selbstverständlich«, wiederholte Kaspar, hob den Becher, prostete dem General zu und trank.
»Es ist eine Schande, dass Ihr unbedingt nach Hause wollt. Ich nehme an, es steckt eine wunderbare Geschichte dahinter, dass ein ehemaliger Herzog und souveräner Herrscher mit einer Gruppe von Kaufleuten auf der anderen Seite der Welt landet.
Solltet Ihr Euch wider Erwarten entscheiden zu bleiben, würde ich für Euch zweifellos eine gute Position finden können. Begabte Männer sind selten.«
»Ich muss einen Thron zurückerobern.«
»Davon könnt Ihr mir morgen Abend erzählen.
Jetzt geht, und sagt Euren Freunden, dass Ihr innerhalb einer Woche wieder unterwegs sein werdet, immer vorausgesetzt, wir siegen in den nächsten paar Tagen. Ich wünsche Euch eine gute Nacht, Euer Gnaden.«
Kaspar lächelte über die Anrede. »Gute Nacht, General.«
Kaspar kehrte zum Haus zurück und wünschte den Soldaten, die ihn eskortierten, eine gute Nacht. Als er hineinging, fragte er sich, wie viel von seiner Vergangenheit er dem General in den nächsten paar Tagen verraten würde, und er erkannte, dass es eine Erleichterung gewesen war, mit jemandem, der etwas vom Wesen der Herrschaft verstand, über diese Dinge zu sprechen. Und dann verspürte er zum ersten Mal das Bedürfnis, einige der Entscheidungen, die er getroffen hatte, zu hinterfragen. Sein ehemaliges Leben lag weniger als ein Jahr zurück, aber manchmal hatte er das Gefühl, als wäre es viel länger her. Und viele seiner Entscheidungen ließen ihn nun staunen.
Warum hatte er die Krone von Roldem so unbedingt haben wollen? Nachdem er Monate damit verbracht hatte, Ochsendung auf Jojannas Gemüsepflanzen zu schaufeln, für ein paar Kupferstücke Kisten zu schleppen und unter freiem Himmel zu schlafen, wirkte Ehrgeiz beinahe lächerlich.
Der Gedanke an Jojanna bewirkte, dass er sich fragte, wie es ihr und Jörgen wohl ging. Vielleicht gab es ja eine Möglichkeit, ihnen eine Botschaft zu schicken, einen kleinen Teil des Wohlstands, den sie in der Truhe im Wagen hatten.
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