Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 4
Amafi!«
Einen Augenblick zögerte der Gardist zu ihrer Rechten, als der wichtig aussehende ausländische Adlige und
seine beiden Diener an ihm vorbeieilten. Aber während
er noch seinem Kameraden einen fragenden Blick zuwarf, waren die drei auch schon verschwunden. Der
zweite Mann zuckte leicht die Schultern, als wollte er
sagen, nun ginge es sie nichts mehr an.
Sobald sie sich innerhalb des kaiserlichen Flügels befanden, bezweifelte niemand mehr ihr Recht, dort zu
sein. Sie umgingen die große Halle und die Galerie der
Lords und Meister, denn in diesen Bereichen würde es
nun von Würdenträgern aus dem Kaiserreich und besonderen Gästen nur so wimmeln. Derzeit waren Jongleure,
Tänzer, Musiker und alle anderen Arten von Unterhaltungskünstlern dabei, für die versammelte Menge ihr Bestes zu geben. Eine Prachtstraße, die die untere Stadt
vom Palast selbst trennte, war abgesperrt worden. Hier
würde später eine Parade stattfinden, mit Männern von
der Legion, den großen Wagenlenkerkompanien und der
Kavallerie, gefolgt von exotischen Tieren und schließlich
einer großen Bühne, auf der eine dramatische Huldigung
an den Kaiser stattfinden würde.
Kaspar erreichte Turgan Beys Arbeitszimmer in dem
Moment, als der Meister der Festung von seinem Stuhl
aufstand. »Da seid Ihr ja«, sagte er, als er Kaspar entdeckte. »Ich hielt Eure Botschaft für verrückt, denn ich
fragte mich, wie ihr hierher gelangen wolltet.«
»Indem ich so aussah, als wüsste ich, was ich tat«, erwiderte Kaspar und bedeutete Amafi, an der Tür Wache
zu halten, während Pasko zur offenen Terrasse ging.
Kaspar stellte sich neben Bey und flüsterte ihm ins
Ohr: »Ich weiß, wo Varen ist, und ich glaube, ich weiß,
was als Nächstes geschehen wird. Wem vertraut Ihr?«
»Im Augenblick verdammt wenigen.«
»Wem in der Inneren Legion, bei den Wagenlenkern
und der Kavallerie?«
»Noch weniger Leuten. Warum?«
»Wem traut Ihr zu, Euer Kaiserreich zu retten?«
»Kaspar, was ist hier los? Ist der Kaiser in Gefahr?«
»Noch schlimmer«, erwiderte Kaspar. »Ich glaube, die
gesamte kaiserliche Familie ist in Gefahr.«
»Sagt mir alles, aber schnell«, forderte Bey.
Kaspar umriss die Idee, die er Pug zuvor mitgeteilt
hatte, und während seiner Worte wurde Bey immer blasser. Als Kaspar fertig war, sagte der alte Mann: »Kaspar,
ich will das einfach nicht glauben. Aber was Ihr da sagt,
erklärt viele Dinge, die bisher grundlos und willkürlich
schienen.« Er lehnte sich zurück und schwieg einen Augenblick, dann fragte er: »Wenn Ihr Recht habt, was
können wir tun?«
»Ihr müsst so viele vertrauenswürdige Leute wie möglich zusammenbringen und ihnen mitteilen, dass sie am
besten die Schwerter eingesteckt lassen sollen, wenn es
hässlich wird, es sei denn, jemand in ihrer Nähe wird
direkt bedroht. Wenn ein Haufen betrunkener Adliger
schwertschwingend in der Gegend herumläuft, werden
viele sinnlos sterben. Ihr dürft nicht vergessen, dass wir
nur ein paar Männer nahe bei den Prinzen brauchen. Es
müssen Männer sein, denen Ihr unbedingt vertrauen
könnt, und sagt ihnen … nun, Ihr wisst, was zu sagen ist.
Ich kann es nicht genug betonen: Die Nachtgreifer sind
nicht aus der Stadt geflohen, sie sind hier im Palast, und
heute Abend wollen sie das Kaiserreich in die Knie
zwingen.«
»Kaspar, wenn Ihr Recht habt, wird man Euch zu einem Prinzen von Kesh machen.« Dann sah der alte Mann
ihm in die Augen. »Und wenn Ihr Euch irrt oder vollkommen den Verstand verloren habt, wird man uns beide
an die Krokodile verfüttern.«
In Kaspars Blick lag ein Hauch von Zweifel. »Es ist
ein Risiko, aber uns bleibt nichts anderes übrig.«
»Wo werdet Ihr sein?«
»Ich muss auf dem Podium sein, nahe an der kaiserlichen Familie.«
Bey ging zu seinem Schreibtisch und öffnete eine
Schublade. Er nahm einen kleinen Elfenbeinstab heraus.
»Das hier ist so gut wie eine bewaffnete Eskorte, Kaspar.
Kein Gardist wird Euch aufhalten, wenn Ihr das hier
habt.«
»Danke.«
»Und nun?«
»Nun warten wir«, sagte Kaspar. »Wir können nichts
beweisen, bevor die Nachtgreifer zuschlagen. Und wenn
sie es tun, müssen wir schnell handeln.«
Turgan Bey seufzte. »Mögen die Götter Kesh schützen.«
»Und uns alle«, fügte Kaspar hinzu, nachdem der
Meister der Festung sein Arbeitszimmer verlassen hatte.
»Euer Wohlgeboren, was jetzt?«, fragte Amafi.
»Wir warten«, sagte Kaspar und ließ sich auf Turgan
Beys Stuhl nieder.
Nakor führte Bek durch das Gedränge. »Nakor«, sagte
der
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