Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 4
ist«, antwortete
Pasko. »Nur seine engsten Freunde und seine liebsten
Verwandten sind hier.«
»Alle zehntausend«, stellte Kaspar trocken fest.
Der Platz befand sich am untersten Rand des Plateaus
am Ende des eigentlichen Palastes und war so groß wie
der gesamte Außenhof der Zitadelle von Opardum. Sämtliche Soldaten, die Kaspar einmal befehligt hatte, hätten
sich hier versammeln können, ohne dass es ihnen zu eng
geworden wäre.
Der Platz selbst war in drei Ebenen unterteilt. Die kaiserliche Familie saß am höchsten – ihre relativ kleine
Plattform war vom Palastinneren her zugänglich. Bei
ihnen würden etwa fünfhundert Personen von beträchtlichem Rang sitzen. Wäre Kaspar noch Herzog gewesen,
dann hätte er ebenfalls dort oben gesessen. Dieser Tage
jedoch, als einfacher Bittsteller, war er auf die zweite
Ebene verbannt, auf der die Mehrzahl der Gäste stehen
würde.
Am gesamten Rand der zweiten Ebene gab es Steinstufen, die hinunter zur dritten Ebene führten, aber selbst
ohne Wachen und Barrieren kannten die auf der untersten
Ebene ihren Platz. Der Mangel an Wachen war Keshs
Zugeständnis an die Idee, dass es an Banapis keine Ränge gab. Im Königreich der Inseln und in Roldem mischte
sich der König an diesem Tag vielleicht auf der Straße
unters Volk, aber in Groß-Kesh kennzeichnete einfach
die Abwesenheit von tausend weiß gekleideten kaiserli
chen Gardisten diesen mythischen Tag.
Kaspar wusste, wenn ein Unbefugter diese Stufen zur
zweiten Ebene hinaufstieg, würde sich sofort zeigen, wo
die Garde verborgen war, und der Versuch, die oberste
Plattform zu erreichen, auf der der Kaiser saß, wäre
Selbstmord. Er nahm allerdings an, dass er an einem bestimmten Punkt tatsächlich versuchen musste, dort hinaufzugelangen. Anders als bei den beiden unteren Ebenen war die kaiserliche Plattform hoch genug über der
zweiten Ebene, dass sie beinahe unmöglich zu erklettern
war. Man konnte nur über die Treppen auf beiden Seiten
dort hinaufgelangen, oder indem man sich in den eigentlichen Palast begab, dort zur entsprechenden Ebene ging
und dann irgendwie durch die kaiserlichen Gemächer
oder die Galerie der Lords und Meister nach draußen
vordrang.
Die Treppe wurde von einem Dutzend weiß gekleideter Männer von der kaiserlichen Hausgarde bewacht, und
es hätte mindestens einen Trupp ausgebildeter Soldaten
gebraucht, um an ihnen vorbeizukommen. Kaspar wandte
sich Amafi und Pasko zu und sagte: »Sieht so aus, als
müssten wir den Hintereingang benutzen, wenn wir dort
hinauf gelangen wollen.«
Amafi lächelte. »Ich kenne den Weg, Euer Wohlgeboren.«
»Lass mich raten«, sagte Pasko trocken. »Du hast
schon einmal einen keshianischen Prinzen ermordet?«
»Nicht ganz«, erklärte der ehemalige Attentäter auf
seine bescheidene Weise, während immer mehr Feiernde
an ihnen vorbeidrängten. »Ich wurde einmal beauftragt,
einen jungen Höfling zu entfernen, der für einen der Beamten hier im Palast zu einem Problem geworden war.
Der Höfling war vom Wahren Blut, der Beamte nicht,
und seine Frau war indiskret. Also erstickte der Höfling
während der Festlichkeiten bedauerlicherweise an einem
Olivenkern, genau hier auf dem Platz.« Amafi lächelte.
»Wirklich eine meiner subtileren Unternehmungen.«
»Die Sonne geht unter«, sagte Kaspar, »und das
Durcheinander wird bald losgehen, also lasst es uns ausnutzen. Ich habe im Lauf der Jahre bemerkt, dass die
Leute einen im Allgemeinen nicht behelligen, wenn es so
aussieht, als wisse man, was man tut, also sollten wir
versuchen, diesen Eindruck zu erwecken.« Er bedeutete
den beiden Dienern voranzugehen und folgte ihnen, während mehr und mehr Menschen auf der mittleren Ebene
eintrafen.
Es dauerte länger als erwartet, den Eingang zum Palast
zu erreichen, aber sie wurden tatsächlich von den Wachen am Haupteingang ohne Fragen eingelassen, weil sie
einfach zielbewusst weitergingen.
»Wie lange dauert es schon?«, fragte Kaspar, obwohl
er die Antwort bereits kannte.
»Drei Stunden, Herr«, erwiderte Pasko. »Beinahe auf
die Minute genau.«
»Wir sind spät dran.«
»Wenn er nicht wenigstens fünf Minuten wartet«, sagte Amafi, »dann habt Ihr ihm nicht deutlich genug gemacht, wie wichtig diese Begegnung ist.«
»Er hat Pflichten«, erklärte Kaspar und begann schneller zu gehen.
Sie erreichten eine Tür in einem Flur, die von zwei
Angehörigen der Hausgarde bewacht wurde. Als sie weitereilten, sagte Kaspar: »Ich werde dir die Haut abziehen,
wenn wir zu spät kommen,
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