Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 5
obwohl er
ihre Namen nicht kannte; sie waren Reiter der Sadharin, Todesritter des Ordens wie sein Vater. Es mussten vertrauenswürdige Verbündete sein, gebunden
durch gegenseitigen Nutzen und Vertrauen, oder sie
hätten diese Halle lange verlassen, bevor die Sonne
im Westen unterging.
»Heiße unsere Gäste willkommen«, sagte Aruke.
»Lord Valin und Lord Sand.«
Also sagte Valko: »Ich heiße Euch als Gäste meines Vaters willkommen«, und ging hinter ihnen vorbei zu seinem Platz. Dass keiner von ihnen sich umdrehte, um sein Vorbeigehen zu beobachten, war ein
Zeichen des Vertrauens. Ein Diener schob ihm den
großen Holzstuhl zur Rechten von Lord Aruke zurecht, und Valko setzte sich.
»Sand und Valin sind meine engsten Verbündeten«, erklärte der Herr der Camareen. »Sie sind zwei
der drei Machtbeine, auf denen die Sadharin ruhen.«
Valko nickte, um dies anzuerkennen.
Aruke machte eine Geste, und Diener eilten an den
Tisch, um ihn mit dem Essen ihres Herrn zu beladen.
Ein ganzes Kapek mit intaktem Kopf und Hufen
wurde auf einem Spieß hereingetragen, glühend heißes Fett knisterte hinter der festen Haut, und die beiden kräftigen Diener, die das Gewicht trugen, sahen
aus, als könnten sie der Aufgabe kaum gerecht werden. Als man das Tier vor Aruke auf eine große
Holzplatte legte, sagte er: »Heute Abend ist ein guter
Abend. Ein Schwächling ist gestorben, und ein starker Mann hat überlebt.«
Die anderen am Tisch nickten und murmelten zustimmende Worte, aber Valko schwieg. Er atmete
langsam und versuchte, sehr konzentriert zu bleiben.
Ihm tat alles weh, die Wunden pochten, und sein
Kopf dröhnte. Er hätte die Nacht lieber durchgeschlafen, aber er wusste, dass es von höchster Wichtigkeit war, was er an diesem Abend und an den folgenden Tagen tat. Ein falscher Schritt, und er würde
von den Zinnen geworfen und nicht zur Erbenzeremonie geführt werden.
Im Lauf der Mahlzeit spürte er, wie etwas von seiner Kraft zurückkehrte. Er trank nur ein wenig von
dem tribinischen Wein, denn er wollte konzentriert
bleiben und auf keinen Fall am Tisch einschlafen.
Nach dem Verlauf des Gesprächs zu schließen, würde es ein langer Abend des Geschichtenerzählens
werden.
Er wusste wenig über die Angewohnheiten von
Kriegern. Wie die meisten jungen Männer hatte er
die ersten siebzehn Jahre seines Lebens im Versteck
zugebracht. Seine Mutter war gut vorbereitet gewesen, also bezweifelte er nicht, dass sie von vornherein vorgehabt hatte, den Sohn eines mächtigen Adligen zur Welt zu bringen. Auch seine Erziehung hatte
gezeigt, dass sie eine ehrgeizige Frau war, denn Valko konnte lesen, rechnen und Dinge verstehen, die
die meisten Krieger Ausführenden, Behandlern,
Vermittlern, Krämern, Erleichterern und den anderen
geringeren Kasten überließen. Sie hatte dafür gesorgt, dass er sich in allen Lernfächern auskannte:
Geschichte, Sprachen und sogar Kunst. Und vor
allem hatte sie eins immer wieder betont: Über die
Macht des Schwertarms hinaus reichte die Macht des
Geistes, und es brauchte mehr, um Erfolg zu haben,
als nur den Instinkten zu gehorchen. Sein Instinkt
sagte ihm, den Schwachen gegenüber gnadenlos zu
sein, aber seine Mutter hatte ihn gelehrt, dass selbst
die Schwachen ihren Nutzen hatten, und indem man
die Schwächsten eher förderte, als sie zu vernichten,
konnte man bald ein gewisses Maß an Gewinn erringen. Sie hatte mehr als einmal behauptet, dass der
TeKarana nur aus einem einzigen Grund Herrscher
der Zwölf Welten war: Seine Ahnen waren schlauer
gewesen als die von allen anderen.
Valkos Mutter hatte ihm auch oft von den Festessen in der Großen Halle von Lord Bekar erzählt, wo
sein Vater sie ausgewählt hatte, sein Bett zu wärmen.
Sie hatte sich an die Gesetze gehalten und dem Adligen klargemacht, dass sie imstande war, ein Kind zu
gebären, und sich in ihrem Empfängniszyklus befand. Sie hatte dafür gesorgt, dass ihr Name mindestens drei Zeugen gegeben wurde, und dann hatte sie
sich ihm in seinem Schlafzimmer angeschlossen.
Plötzlich war die Mahlzeit zu Ende, und Valko erkannte, dass er in seine Gedanken versunken war.
Ein schneller Blick auf seinen Vater machte ihm
klar, dass man ihn zum Glück nicht entdeckt hatte. In
Gedanken zu versinken war gefährlich; er hätte etwas
Wichtiges überhören können, und man würde ihn für
unaufmerksam halten.
Aruke stand auf und sagte: »Ich bin heute Abend
erfreut.«
Das war die einzige Möglichkeit für einen Kriegsherrn,
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