Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 5
unterwegs von Rivalen oder
Gesetzlosen erwischen zu lassen.
Als seine Gedanken abzuschweifen begannen, riss
sich Valko noch einmal lange genug zusammen, um
zu rufen: »Lord Kesko, dieses Ding kann nicht Euer
Sohn gewesen sein!«
Lord Kesko verbeugte sich vor dem Kompliment,
das der Sieger ihm machte. Er würde die Burg Camareen als Erster verlassen, denn es lag zwar keine
Schande darin, dass ein Möchtegern-Sohn im Zweikampf getötet wurde, aber es war auch kein Grund
zur Freude.
Der Meisterbehandler flüsterte: »Sehr tapfer, junger Lord, aber wenn wir Euch jetzt nicht die Rüstung
abnehmen, werdet Ihr bald neben dem, den Ihr getötet habt, auf dem Verwendungstisch liegen.« Ohne
auf Erlaubnis zu warten, wies er seine Helfer entsprechend an, und die Lederriemen und Schnallen
wurden schnell geöffnet, und die Rüstung wurde abgenommen.
Es entging Valko nicht, dass die Behandler ihn
dabei unmerklich stützten, sodass er auf den Beinen
bleiben konnte, während sein Vater langsam zu den
Reitern ging, die ihm weitere Glückwünsche darboten. Der junge Krieger war nach den Maßstäben seines Volkes hochgewachsen – einen halben Kopf größer als sein Vater, der vier Zoll mehr als sechs Fuß
maß. Sein junger Körper hatte mächtige Muskeln,
und seine Arme waren lang, was ihm eine tödliche
Reichweite mit dem Schwert verlieh, die er gegen
den kleinwüchsigeren Gegner genutzt hatte. Er sah
nach den Maßstäben seines Volkes gut aus, denn seine lange Nase war gerade und nicht zu breit, und seine Lippen waren voll, ohne weiblich zu wirken.
Aruke blieb vor ihm stehen und sagte: »Sechzehn
Mal haben Männer vor mir gestanden, die mein Haus
beanspruchten. Du bist erst der dritte, der die Herausforderung überlebte. Der erste war Jastmon, der in
der Schlacht von Trikamaga starb, der zweite Dusta,
der starb, als er vor elf Jahren diese Burg verteidigte.
Es erfreut mich, dich als ihren Bruder bezeichnen zu
können.«
Valko blickte direkt in die Augen seines Vaters,
eines Mannes, den er vor einer Woche zum ersten
Mal gesehen hatte. »Ich ehre ihr Andenken.«
»Wir lassen Räume für dich vorbereiten«, sagte
Aruke, »die direkt neben meinen eigenen liegen.
Morgen wirst du deine Ausbildung als mein Erbe
beginnen. Bis dahin ruhe dich aus … mein Sohn.«
»Danke, Vater.« Valko betrachtete das Gesicht des
Mannes und konnte nichts darin erkennen, was ihn
an sein eigenes erinnerte. Valkos Gesicht war lang
und hatte keine Falten, und es war nach den Maßstäben seines Volkes edel geschnitten, aber das Gesicht
seines Vaters war rund und voller Altersfalten, und
er hatte eine seltsame Ansammlung von Flecken
links an seiner Stirn. War es möglich, dass seine
Mutter ihn angelogen hatte?
Als hätte er seine Gedanken gelesen, fragte Aruke:
»Wie lautete der Name deiner Mutter?«
»Narueen, eine Ausführende aus Cisteen, die auf
Lord Bekars Ländereien arbeitete.«
Aruke schwieg einen Moment, dann nickte er. »Ich
erinnere mich an sie. Ich nahm sie für eine Woche,
während ich als Gast in Bekars Burg weilte.« Sein
Blick wanderte an Valko hinab, der nun nur noch einen Lendenschurz trug, während die Behandler seine
Wunden säuberten und verbanden. »Sie hatte einen
dünnen, aber ansehnlichen Körper. Deine Größe muss
von ihrer Seite stammen. Lebt sie noch?«
»Nein, sie starb bei einer Läuterung vor vier Jahren.«
Aruke nickte. Beide Männer wussten, dass jeder,
der närrisch genug war, bei dem ersten Anzeichen
einer Läuterung noch draußen zu bleiben, dumm und
schwach war und keinen Verlust darstellte. Und dennoch sagte Aruke: »Bedauerlich. Sie war nicht unangenehm, und dieses Haus könnte ein wenig Weiblichkeit gebrauchen. Aber nun, da ich dich anerkannt
habe, wird ein ehrgeiziger Vater dir sicher schon bald
seine Tochter an den Hals werfen. Wir werden sehen,
was das Glück uns bringt.« Dann wandte er sich ab,
aber nicht, bevor er hinzugefügt hatte: »Geh jetzt und
ruhe dich aus. Du wirst heute Abend an meinem
Tisch sitzen.«
Es gelang Valko, sich leicht zu verbeugen, als sein
Vater ging. Dann sagte er zum Meisterbehandler:
»Schnell jetzt. Bringt mich auf mein Zimmer, damit
ich nicht vor den Dienstboten das Bewusstsein verliere.«
»Ja, junger Lord«, antwortete der Meisterbehandler, und er bedeutete seinen Helfern, den jungen
Herrn der Camareen zu seinen Räumen zu führen.
Valko erwachte, als ein Diener sanft sein Bettzeug
berührte, weil er es nicht wagte, den jungen Spross
der Camareen tatsächlich anzufassen. »Was
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