Feist, Raymond - Die Erben von Midkemia
verkündete Servan und verließ den Unterstand. »Ihr beobachtet sie weiter.«
Auch Jommy kam aus dem Unterstand. »Gehen wir ein bisschen näher heran.«
Jim hielt ihn zurück. »Warte. Da kommt noch ein Boot.«
Nach einem Moment konnte Jommy ein zweites Langboot aus dem Grau kommen sehen, das dem ersten folgte. »Nun«, flüsterte Jim, obwohl die Boote viel zu weit weg waren, als dass jemand dort sie hätte hören können, »was hältst du davon?«
»Na ja«, sagte Jommy, »ich denke, dass die Informationen des Hauptmanns offenbar zutreffen.«
»Nicht, was das zweite Boot angeht«, verbesserte Jim.
Die beiden Langboote wurden an den Strand gerudert, und Männer sprangen heraus, zogen die Boote auf den Sand und sicherten sie mit Stangen und Seilen. »Sieht so aus, als hätten sie vor, eine Weile hierzubleiben«, sagte Jommy.
»Was ist das denn?«, fragte Jim und zeigte auf das zweite Boot.
Die Besatzungsmitglieder der beiden Boote waren wie normale Seeleute gekleidet, aber jeder trug ein schwarzes Tuch um den Kopf, das hinter dem linken Ohr verknotet war. Die meisten waren barfuß, was sie ebenfalls als Seeleute kennzeichnete, aber einige hatten schwere Stiefel an. Und der letzte Mann, der aus dem zweiten Boot stieg, hatte sich in ein dunkel orangefarbenes Gewand mit schwarzen Biesen gehüllt. Seine Züge waren unter einer Kapuze verborgen, aber die anderen Männer wirkten ihm gegenüber unterwürfig, ja fast so, als fürchteten sie sich vor ihm. Keiner bot ihm Hilfe beim Aussteigen an, und alle machten einen großen Bogen um ihn, als er an Land kam.
»Ein Magier«, sagte Jim, spuckte das Wort beinahe aus. »Ich hasse Magier.«
»Ich bin ein paar Magiern begegnet, die ganz in Ordnung waren«, wandte Jommy leise ein.
»Ich nicht. Eine magische Falle in Darindus hätte mir mal beinahe den Kopf abgerissen. Wenn ich Zeit genug habe, kann ich jede Falle entdecken, die von Sterblichen hergestellt wurde, aber Magie …«
»Na ja«, beharrte Jommy, »ich bin ein paar Magiern begegnet, die ich mochte.«
Jim schwieg, als die Männer am Strand ausschwärmten. Es war klar, dass sie die Umgebung überprüften, weil sie sehen wollten, ob man sie beobachtete.
Jommy und Jim griffen nach oben und nahmen rasch den behelfsmäßigen Unterstand auseinander, versteckten das Zelttuch hinter dem Baum und zogen sich dann nach rechts in ein dichteres Gebüsch zurück. Ohne ein Wort teilten sie den gleichen Gedanken: In ein paar Minuten würde eine bewaffnete Kompanie über den Hügel hinter ihnen kommen, doppelt so viele Männer wie dort am Strand, aber bis zu diesem Augenblick wäre es eine gute Idee, sich nicht sehen zu lassen.
Jommy spürte, wie Jim ihn fest an der Schulter packte. Jim zeigte auf sich und Jommy, dann den Hügel hinauf. Jommy wies auf einen kleinen Felsvorsprung ein paar hundert Fuß den Weg entlang, und Jim nickte. Sie bewegten sich durch den Regen, der ein wenig nachgelassen hatte, was Jommy ärgerte. Er wollte mehr Deckung, nicht weniger, und ausgerechnet jetzt wurde das Wetter nach Tagen strömenden Regens zu einem wirklich ungünstigen Zeitpunkt besser.
Als sie den Vorsprung erreichten, legten sich beide hin und ignorierten den Schlamm. Die Männer aus den Booten hatten sich verteilt und fingen an auszuladen, was nach Vorräten aussah.
»Wirkt wirklich so, als wollten sie eine Weile bleiben«, sagte Jommy noch einmal.
»Ein drittes Boot!«, flüsterte Jim.
Das dritte Boot kam rechts von den beiden anderen ans Ufer, und mehr Seeleute sprangen heraus, zogen es auf den Strand und fingen an, Ausrüstung zu entladen. Kisten wurden weitergereicht, und Jim stellte fest: »Das da mögen mörderische Hunde sein, aber sie haben Disziplin.«
Jommy beobachtete das Geschehen ohne Kommentar.
Jim flüsterte: »Diese Kopftücher. Hab so was an ein paar Leichen unten auf den südlichen Sonnenuntergangsinseln gesehen, etwa eine Segelwoche von Freihafen.«
»Wer sind sie?«
»Keine Ahnung; das hier sind die ersten, die ich sehe, die nicht tot sind. Wir haben sie an einem qualmenden Wrack gesehen, gestrandet auf einer Insel, die nicht mal einen Namen hatte. Mein Kapitän kannte das Schiff, aber nicht die Leichen mit diesen Kopftüchern. Es war niemand in der Nähe, um uns zu sagen, was passiert war. Wir nahmen an, dass man den Kapitän und die Besatzung des verbrannten Schiffs als Sklaven weggebracht hatte.«
Geräusche hinter ihnen ließen beide Männer herumfahren. Kaspar und Hauptmann Stefan kamen geduckt den
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