Feist, Raymond - Die Erben von Midkemia
neugierige Jommy unternahm einiges, um herauszufinden, was denn nun eigentlich los war, aber die letzten paar Monate in diversen Einheiten aus Roldem hatten ihn auch gelehrt, dass ein junger Offizier gut daran tat, zu schweigen und zuzuhören. Servan verfügte bereits über diese Eigenschaften.
Dennoch, Jommys Neugier konnte nicht vollkommen unterdrückt werden, also dachte er, eine andere Herangehensweise an das Thema könnte ihm vielleicht einen Hinweis darauf geben, was hier los war. »Jim, du kommst aus dem Königreich, richtig?«
»Ja«, erwiderte der junge Dieb. »Ich bin in Krondor geboren und habe dort auch einen Großteil meines Lebens verbracht.«
»Du behauptest, ein Dieb zu sein …«, begann Jommy.
Jim verlagerte das Gewicht und streifte Jommy dabei leicht, dann hielt er ihm grinsend seinen Beutel vor die Nase. »Das hier gehört dir, glaube ich?«
Servan musste sich anstrengen, nicht zu lachen, als Jommy sich seinen Beutel schnappte, den er unter sein Hemd gesteckt hatte. »Also gut«, sagte er. »Du bist ein Dieb.«
»Ein sehr guter Dieb.«
»Ein sehr guter Dieb«, gestand Jommy ihm zu. »Aber ich würde wirklich gerne wissen, warum sich ein sehr guter Dieb aus Krondor hier am Rand der Welt wiederfindet.«
»Das ist so eine Geschichte«, erwiderte Jim vage. »Ich bin viel rumgekommen.«
»Oh«, sagte Servan, der eine Ablenkung von diesem lästigen Regen erwartete.
»Ja«, sagte der freundliche Dieb. »Ich war an ein paar merkwürdigen Orten.«
Er lächelte, und Jahre schienen von ihm abzufallen, als er eine beinahe jungenhafte Albernheit an den Tag legte. »Da war diese eine Situation, nicht unähnlich dem, was wir hier erleben, als ich gezwungen war, in einer Höhle auf einer fernen Insel vor einem herabprasselnden Regen wie dem da Schutz zu suchen.«
Jommy und Servan wechselten einen Blick, und beide lächelten, nickten und dachten das Gleiche: Kein Wort von dem, was sie zu hören bekommen würden, würde wahr sein, aber die Geschichte könnte sich als unterhaltsam erweisen.
»Ich befand mich, äh, auf einer Reise, die mich von Krondor wegführte.«
»Geschäfte?«, fragte Servan.
»Gesundheitsgründe«, erwiderte Jim, und sein Grinsen wurde noch breiter.
»Es schien eine gute Idee zu sein, sich eine Weile von Krondor fernzuhalten.«
Jommy versuchte, nicht zu lachen. »Also bist du … ?«
»Ich nahm ein Schiff, das von Krondor an die Ferne Küste fahren sollte, und in Carse fand ich ein paar Jungs, die Informationen über ein … äh, ein Unternehmen hatten, das allen, die damit zu tun hatten, gutes Geld einbringen würde.«
»Piraten«, sagten Jommy und Servan beinahe gleichzeitig.
»Freibeuter, aus Freihafen auf den Sonnenuntergangsinseln.« Jim nickte.
»Damals behauptete der Kapitän, unter dem sie segelten, er habe einen Kaperbrief von der Krone.
Gesehen habe ich den allerdings nie. Aber da ich damals ein vertrauensseliger Junge war, glaubte ich ihm.«
Jommy bezweifelte, dass es im Leben des Diebs einen einzigen Augenblick gegeben hatte, in dem er ein »vertrauensseliger Junge« gewesen war, aber er verkniff sich eine Bemerkung dazu.
»Also gut, ich bin also auf dieser Insel, in dieser Höhle, mit diesem Elfenmädchen …«
»Hast du etwas ausgelassen?«, fragte Servan.
»Ja, sicher, eine Menge, aber ich rede von seltsamen Orten, an denen ich war.«
»Lass ihn weitererzählen«, sagte Jommy mit schlecht verborgener Heiterkeit.
»Jedenfalls, die Jungs, mit denen ich unterwegs gewesen war, suchten nach mir, denn ich hatte ihre nicht gerade ehrenhaften Absichten begriffen, was meinen Anteil am Schatz anging …«
»Schatz?«, warf Servan ein, aber Jommy hob die Hand. Er wollte diese Geschichte hören.
»Ja, das ist ein anderer Teil der Geschichte«, erklärte Jim. »Wie auch immer, wie ich schon sagte, ich versteckte mich in dieser Höhle, als ich diesem Elfenmädchen begegnete, das Jazebel hieß …«
»Jazebel«, wiederholte Jommy.
»Jazebel«, wiederholte auch Jim. »Und sie hatte ihre eigene Geschichte, wie sie dorthin gekommen war. Sie versuchte, sich nicht von diesen Bären umbringen zu lassen, nur, dass es keine richtigen Bären waren, eher große pelzige Eulen.«
»Große pelzige Eulen«, sagte Servan, nun mit eindeutig staunender Miene.
Jommy konnte kaum an sich halten, und im Augenblick waren Kälte und Regen vergessen.
»Wie ich schon sagte, es war ein seltsamer Ort, weit hinter den Sonnenuntergangsinseln. Sie hatte Eier für Elfenmagie
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