Feist, Raymond - Die Erben von Midkemia
ihn anschauten. Etwas war hier im Gange, eine Elfenangelegenheit, zu der er keinen Zugang hatte.
Die Königin schwieg eine Weile, dann sagte sie: »Geht jetzt, und ruht Euch aus, Jim Dasher. Esst und schlaft, und wir werden uns über das, was Ihr gesagt habt, beraten. Wenn Ihr morgen aufwacht, reden wir weiter.«
Jim hatte keine Zweifel, dass er das Abendessen verschlafen würde, sobald er sich hinlegte, also würde er nicht widersprechen. Dennoch, seine Neugier war nun geweckt, und er wollte wissen, was los war. Und noch mehr, er sorgte sich um Kaspar und die anderen. Sie waren vielleicht Halsabschneider und Briganten, aber auch treue Diener der Krone und des Konklaves und trotz ihrer rauen Art loyal bis ins Mark. Wenn er sie retten konnte, würde er das tun.
Auf Bitte der Königin führte ihn ein Diener in einen Raum in einem Baumstamm, wo er einen Teller mit Obst und Nüssen und einen Krug mit kühlem Wasser fand. Plötzlich elend vor Hunger setzte er sich, während der junge Elf, der ihn geführt hatte, sagte: »Ich komme gleich mit einer kräftigeren Mahlzeit zurück, Jim Dasher.«
»Danke«, erwiderte Jim zwischen zwei Bissen.
Als der Elf mit einem Teller Wildgeflügel, gealtertem hartem Käse und einem halben Laib Brot zurückkehrte, schlief Jim schon fest auf dem Strohsack auf dem Boden
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des Zimmers. Der Elf stellte leise den Teller ab und ließ den Gast in Frieden.
Jim erwachte und verschlang den Rest des Essens. Nachdem er das Zimmer verlassen hatte, fand er einen kleinen Raum mit einer Toilette, in die er sich erleichterte, und dann eilte er hinunter zu einem tiefen Teich, wo er schnell ein Bad nahm. Er wurde von den Elfen, die sich dort ebenfalls wuschen, höflich ignoriert. So sehr er Frauen in ihren vielen Gestalten bewunderte, von den gertenschlanken bis zu den kurvenreichen, die Elfenfrauen gefielen ihm mehr um ihrer Schönheit in abstrakter Form willen. Sie waren so schön, wie eine Menschenfrau nur hoffen konnte zu sein, aber sie hatten auch etwas Fremdartiges an sich, was ihm jeden fleischlichen Impuls in Bezug auf sie nahm. Die Elfenmänner waren auf ihre Art ebenfalls gut anzusehen, und er bewunderte ihre geschmeidige Kraft. Es passierte nicht oft, dass jemand Jim Dasher das Gefühl gab, nicht sonderlich gesund und kräftig zu sein, aber jeder Elf, den er hier sah, wirkte wie ein Ausbund von jugendlicher Stärke, während er sich nach wie vor zerschlagen und erschöpft von seinen Reisen fühlte.
Er zog seine immer noch schmutzige Kleidung wieder an, nachdem er zu dem Schluss gekommen war, dass es nicht angemessen war, sie zu waschen und entweder zu warten, bis alles getrocknet war, oder in nassen Sachen vor die Königin zu treten. Sobald er fertig angezogen war, eilte er zurück zu dem Pavillon, wo Aglaranna und Tomas warteten.
»Guten Morgen, Jim Dasher«, sagte die Königin. Er verbeugte sich und sagte:
»Guten Morgen, Euer Majestät.«
»Habt Ihr gut geruht?«
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»Ja«, erwiderte er. »Ich stehe in Eurer Schuld, weil Ihr mir solche Gastfreundschaft gewährt habt.«
»Wir haben mit unseren Beratern über die Nachrichten gesprochen, die Ihr uns gebracht habt«, sagte die Königin. »Und um verstehen zu können, was geschehen muss, müsst Ihr ein paar Dinge wissen, die selbst in unserem Volk nur wenige kennen und nicht einmal unsere ältesten Freunde wie Pug je erfahren haben.«
Jim zog eine Braue hoch, als er das hörte. Er hatte angenommen, dass Pug wegen seiner Jungenfreundschaft zu Tomas am ehesten der Mensch war, die elfische Überlieferung zu hören. Dennoch, er schwieg und wartete.
»In uralter Zeit gab es einen großen Krieg zwischen den Göttern«, ergriff Tomas das Wort. »Jene, die die Menschen Drachenlords nannten und die wir in der Elfensprache Valheru nennen …« Er hielt inne, als fände er es unangenehm, von diesen Dingen zu sprechen. »Die Drachenlords mischten sich ein. Am Ende wurden sie aus diesem Reich ausgestoßen und in andere Universen getrieben.«
Das erregte Jims Interesse. Viele der Informationen, die das Konklave in den letzten Jahren gesammelt hatte, hatten mit Hinweisen auf andere Ebenen der Wirklichkeit zu tun. Vieles davon war unverständlich für Jim, na gut, wenn er ehrlich sein sollte, das meiste, aber er hatte genug von den Informationen gesehen, die auf dem Weg zu Pug, Nakor oder Miranda durch seine Hände gingen, um etwas begriffen zu haben: Es gab diese anderen Orte wirklich. Es war bereits zu viel geschehen, als dass er daran
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