Feist, Raymond - Die Erben von Midkemia
gezweifelt hätte.
Tomas fuhr fort: »Aber vor dem letzten großen Kampf erhob sich einer der Drachenlords, derjenige, dessen Rüstung ich heute trage, wenn ich in den Kampf ziehe.«
Jim hatte Tomas nie in der legendären weißen und goldenen Drachenrüstung gesehen, aber er hatte davon ge-134
hört und stellte sich vor, dass es ein eindrucksvoller Anblick sein musste.
Selbst in einem schlichten Gewand und Sandalen war Tomas eine der beeindruckendsten Personen, die er je gesehen hatte.
»Er allein trotzte dem Drachenheer«, fuhr Tomas fort, »und seine letzte Tat, bevor der Wahnsinn, der als Chaoskriege bekannt ist, diese Welt überwältigte, bestand darin, alle zu befreien, die sich unter der Herrschaft der Valheru befunden hatten. Die meisten von denen, die du als >Elfen< kennst, kamen, um sich hier niederzulassen, am ersten Hof des ersten Königs und seiner Königin, noch bevor die Menschen ihren Aufstieg nahmen. Wir nannten uns
>Eledhel< oder Wesen des Lichts<. Aber einige kamen nicht hierher. Das sind die, die ihr die Dunkle Bruderschaft nennt, die >Moredhel< oder >Wesen der Dunkelheit^ Es gab auch andere, von denen sich uns nun einige angeschlossen haben, weil sie vor Entbehrungen im Norden geflohen sind. Aber ein … ein Stamm, wenn du so willst, trennte sich von den anderen, und er nahm sich einer bestimmten Mission an. Man nennt sie >Anoredhel< oder >Wesen der Sonne<. Sie waren nie Untertanen der Königin - oder eines anderen Herrschers hier in Elvandar, aber wir haben … eine Übereinkunft mit ihnen.
Sie sind einzigartig und tragen eine gewaltige Verantwortung.«
»Dann brauchen sie Eure Hilfe, Majestät«, sagte Jim Dasher.
»Weshalb?«, fragte die Königin.
Jim wiederholte Kaspars Beobachtung, dass sie ein sterbendes Volk seien. Als er fertig war, wirkten sowohl Tomas als auch die Königin beunruhigt.
Schließlich sagte Aglaranna: »Aus Gründen, die Ihr wahrscheinlich nie verstehen werdet, dürfen wir uns nicht in die Angelegenheiten der Anoredhel einmischen. Aber wir wollen sie auch nicht
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dahinschwinden sehen, ebenfalls aus mehr Gründen, als ich Euch sagen könnte.« Sie sah ihren Mann an und fragte: »Was rätst du?«
»Meine Gemahlin und Königin, ich glaube, es gibt nur eine Antwort. Ich muss zu den Bergen der Quor gehen und mit ihrem Anführer sprechen.«
»Castdanur«, warf Jim ein. »So heißt er.«
»Das ist kein Name, Jim Dasher«, sagte Tomas. »Es ist ein Titel. Er schützt die Welt vor der Dunkelheit.«
Unfähig, sich zu bremsen, erwiderte Jim: »Dann hat er wohl ziemlich nachgelassen.« Er bedauerte sofort, was er gesagt hatte. »Es tut mir leid, Herrin. Ich bin … immer noch müde, und mein gesunder Menschenverstand ist offenbar verschwunden.«
Tomas lächelte nicht, aber seine Miene war auch nicht missbilligend. »Das ist verständlich.« Er stand auf. »Majestät, mit Eurer Erlaubnis verabschiede ich mich.«
»Seid schnell, mein Gemahl, und kehrt bald zurück.«
Jim war fasziniert von der Verbindung zwischen diesen beiden, geschmiedet, noch bevor er zur Welt gekommen war, und dennoch so frisch wie die von Liebenden, die gerade erst ihre Leidenschaft füreinander entdeckten. Er ließ für einen Augenblick einen Gedanken an Michele zu und fragte sich, ob es einem Menschenmann und einer Menschenfrau wohl möglich sein würde, die Tiefe von Gefühlen zu kennen, in die er gerade einen Einblick gewonnen hatte.
»Wohin wollt Ihr jetzt gehen?«, fragte ihn Tomas.
Jim hätte wirklich gerne gesagt, wieder nach Krondor und zu einem ruhigen Abendessen mit Michele, aber stattdessen antwortete er: »Ich möchte mit Euch zurückkehren und sehen, wie es Kaspar und meinen anderen Kameraden ergangen ist.«
Tomas nickte. »Dann bereitet Euch auf eine Reise vor, 135
die anders sein wird als alles, was Ihr bisher erlebt habt. Bleibt eine Weile hier, und kommt, wenn ich nach Euch rufe.«
Jim verbeugte sich zustimmend. Während er wartete, trat Calis zu ihm. »Jim Dasher«, sagte er und streckte ihm die Hand hin. Calis war einzigartig, der Sohn der Elfenkönigin und ihres nicht ganz menschlichen Gefährten. Er hatte auch am meisten von allen Elfen unter Menschen gelebt, einem früheren Prinzen von Krondor gedient und eine legendäre Kompanie in der Armee des Prinzen aufgestellt, die Blutroten Adler. Ihr Banner hing immer noch an einem Ehrenplatz in der großen Halle, obwohl die Kompanie selbst längst aufgelöst war.
»Fehlt es Euch?«, fragte Jim.
»Was?«
»Der Lärm, die
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