Feist, Raymond - Die Erben von Midkemia
konnte. »Ihr solltet versuchen, Euch hinzusetzen und zu entspannen«, riet Alenca ihr. »Mir hilft das, klarer zu denken.«
Sie schüttelte den Kopf und ging weiter. »Mit der Klarheit meiner Gedanken habe ich kein Problem. Aber es ist einfach falsch, dass wir Leso Varen noch nicht gefunden haben.«
Matikal, ein kräftiger Magier in mittleren Jahren, der sich den Kopf rasierte, was ihn eher aussehen ließ wie den Rausschmeißer einer Schänke als einen Meister der Visionsmagie, sagte: »Jeder Angehörige dieser Versammlung, jeder Priester jeden Ordens und jeder Magier des Geringeren Pfads, den wir erreichen konnten, weiß, wonach wir suchen. Jeder Meister der Entdeckung und Weitsicht
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hat alle Kenntnisse angewandt, über die wir verfügen, um Ausschau nach Anzeichen von Nekromantie zu halten. Sobald wir eine Spur von Todesmagie wahrnehmen, werden wir ausschwärmen und Leso Varen vernichten, ganz gleich, was es kostet.«
Miranda blieb stehen. Sie erkannte, dass der Mann versprach, sein Leben zu geben, um Varen zu vernichten, und verstand, dass jedes andere Mitglied der Versammlung ebenso entschlossen war zu sterben, wenn das bedeutete, die Gefahr, die von dem midkemischen Todesmagier ausging, beenden zu können.
Mirandas Stellung in der Versammlung war immer schwierig gewesen. Bis zur Einmischung ihres Mannes und dem Aufstieg der Herrin des Kaiserreichs war in Kelewan jede Frau, die zur Magie begabt gewesen war, getötet worden. Erst im letzten Jahrhundert war Frauen, die Magie ausübten, erlaubt worden, das öffentlich zu tun, und viele Traditionalisten hatten immer noch Schwierigkeiten, weibliche Erhabene als »Schwestern« zu betrachten, nicht zu reden von dieser fremden Frau mit den schlechten Manieren, die von einem anderen Planeten kam. Nur die Tatsache, dass sie mit Milamber verheiratet war, dem Größten aller Erhabenen, hatte ihr eine gewisse, widerstrebende Achtung eingebracht.
Der Angriff auf den Kaiser hatte all das verändert. Jetzt hörte man ihr genau zu, und jeder ihrer Vorschläge wurde sorgfältig abgewogen. Die schrecklichste Tat, die ein Erhabener sich vorstellen konnte, war versucht worden, die Ermordung des Lichts des Himmels, und alle geringeren Probleme wurden deshalb beiseitegeschoben.
»Vielleicht ist er wieder zurück zu Eurer Welt geflohen«, spekulierte Alenca.
Miranda schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Nein. Mein Mann ist unübertroffen, was Wissen über Spalte an
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geht. Er hat Schutzzauber eingesetzt, bevor er sich auf seine Reise machte.
Wenn ein Spalt nach Midkemia geöffnet worden wäre, wäre er entdeckt worden.«
»Dann hält er sich versteckt«, sagte Matikal.
»Verzeiht mir meine Ungeduld«, bat Miranda. »Ich hasse es, darauf warten zu müssen, dass unser Feind sich zeigt.« Sie deutete nach Norden, als könnte sie die fernen Gipfel durch die Mauern des Hauses sehen. »Er ist irgendwo dort oben, in einer Berghöhle.« Dann zeigte sie nach Süden. »Oder in einer winzigen Hütte in einer abgelegenen Ecke eines widerwärtigen Sumpfs - nach allem, was ich gehört habe, hat er schon größere Entbehrungen auf sich genommen. Aber er wird warten, solange es nötig ist, und dann handeln, und wir können nur hoffen, wenn er das tut, wird es nichts Schlimmeres als sein letzter Angriff sein.«
»Was«, fragte Alenca, »könnte schlimmer sein als ein Angriff auf den Kaiser?«
Humorlos antwortete Miranda: »Ein erfolgreicher Angriff auf den Kaiser.«
Es wurde still im Raum. »Ich kann hier nichts mehr tun«, sagte Miranda schließlich. »Wir haben auf Midkemia eine Situation, die ein weiterer Aspekt der monströsen Gefahr sein könnte, der wir hier gegenüberstehen. Ihr wisst, wie Ihr mich erreichen könnt, falls Ihr mich braucht.«
Ohne ein weiteres Wort brachte sie sich zur Spaltkammer, betrat den Spalt und war wieder auf Midkemia. Ein Schüler im schwarzen Gewand blickte milde interessiert auf, als sie plötzlich erschien. Man war übereingekommen, den Spalt zur Versammlung in der Akademie auf Stardock zu lassen und nicht auf die Insel des Zauberers zu bringen. Von der Politik einmal abgesehen war das auch eine Möglichkeit, die Abgeschiedenheit der Angehörigen des Konklaves besser zu wahren. Dennoch, ein Übereinkommen 146
mit der Akademie hatte erreicht werden müssen. Es ärgerte Miranda unglaublich, dass diese gewaltige Universität der Magie, die ihr Mann gegründet und gebaut hatte, sich jetzt in anderen Händen befand und diese anderen nicht immer
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